Das Aus für Wendelsteins kleine Wasserkraftwerke?
Neuses - Bayern ist Wasserkraft-Land. In keinem anderen Bundesland gibt es an Seen und Flüssen so viele Wasserkraftwerke wie im Freistaat. Seit langer Zeit bereits leisten die Anlagen einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung in Bayern. Doch das könnte sich bald ändern - zumindest, falls der Bundestag einem Gesetzentwurf des von Grünen-Politiker Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums zustimmen sollte. Das Papier sieht vor, die Vergütung über die Umlage gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für Wasserkraftwerke mit einer Leistung von weniger als 500 Kilowatt künftig zu streichen – und ihnen damit de facto die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
Diese Regelung beträfe die große Mehrzahl der Kraftwerke bundesweit, auch die Anlage von Harald Assenbaum. Er betreibt im Wendelsteiner Ortsteil Neuses das Wasserkraftwerk in der Getreidemühle. Zudem ist er am Kraftwerk „All Energie“ beteiligt, das nur wenige Meter neben der Getreidemühle errichtet ist. In Wendelstein gibt es noch drei weitere Wasserkraftwerke, eines an der Erichmühle, eines in Röthenbach an der Radwiese und ein weiteres in Königshammer. Insgesamt wird im Gemeindegebiet also an fünf Orten Strom aus Wasserkraft erzeugt.
Als Assenbaum von den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums erfahren hatte, hat er umgehend Kontakt mit mir aufgenommen. Er sieht sein Geschäftsmodell bedroht: „Neben der Wasserkraftanlage habe ich zwar noch den kleinen Laden in der Mühle und ich vermiete Wohnungen. Wenn mir die Wasserkraft wegbricht, trägt sich das ganze System aber nicht mehr.“
Auf Assenbaums Hilferuf hin konnte ich zwei lokale Bundestagsabgeordnete für einen Ortstermin gewinnen. Jan Plobner (SPD) und Kristine Lütke (FDP) ließen sich vom Betreiber über das Kraftwerks-Gelände führen. Wasserkraft hat hier Tradition. Seit 1405 existiert in Neuses eine Staustufe in der Schwarzach. Ein Grund, warum Assenbaum die Argumente von Umweltschützern gegen Wasserkraft, an denen sich auch das Bundeswirtschaftsministerium orientiert, nicht so recht nachvollziehen kann. „Sicherlich hat sich die Ökologie durch die Stauung verändert. Aber die Natur hat sich über die Jahrhunderte daran angepasst“, sagt er. Außerdem zeigt er sich offen dafür, seine Anlage noch stärker an die Bedürfnisse der Umwelt anzupassen, zum Beispiel durch eine Fischtreppe.
Nur sein Kraftwerk aufgeben, das will er nicht. Dass die Wasserkraft gerade jetzt von höchster Stelle aus unter Beschuss steht, findet er völlig unverständlich. „Wasser fließt immer, Tag und Nacht, daher ist es grundlastfähig“, argumentiert er. Überhaupt passe ein solcher Gesetzentwurf nicht in eine Zeit, in der Erneuerbare Energien eine CO₂-neutrale und unabhängige Energieversorgung sicherstellen sollen.
Das sieht auch Jan Plobner so: „Wasserkraft hat Relevanz. Gerade jetzt, da wir um jede Kilowattstunde kämpfen, um von Russland unabhängig zu werden.“ Das letzte Wort, das betont auch FDP-Politikerin Kristine Lütke, sei innerhalb der Bundesregierung zu dem Thema noch nicht gesprochen. „Ich sehe das wie meine Fraktion und denke, dass kleine Wasserkraftwerke nicht aus der Förderung fallen dürfen.“
Auch ich habe die Hoffnung, dass sich SPD und FDP innerhalb der Ampel-Koalition mit einer
Änderung zu Gunsten der Wasserkraft durchsetzen können. In Zeiten wie diesen dürfen wir
nicht eine klimafreundliche und dezentrale Energieform wie diese trockenlegen.