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Interview und Buchtipp

Wendelstein - Herr Ferdinand Zwidtmayr hat sich über nahezu 10 Jahre hinweg verdeckt in der Querdenker-Szene bewegt. Nun hat er seine Erfahrungen in einem Buch verarbeitet. Aus aktuellem Anlass steht er im Interview Rede und Antwort.

Welche Ziele verfolgt Sie mit Ihrem Buch?

Es ist wichtig, dass die Gefährlichkeit dieser Szene in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen wird. Wie ich mehrfach im Buch schreibe, geht die Gefahr für die Gesellschaft, mehr als von radikalisierten Extremisten jeder Couleur, von den Mitläufern aus. Denjenigen, die neben sich Extremisten nicht nur dulden, sondern die Tatsache der gemeinsamen Aktion zur Rechtfertigung der breiten Zustimmung in der Bevölkerung sehen. Leider geben mir die aktuellen Geschehnisse recht.

 Wie sind Sie in diese Szene geraten?

Eine schwierige Frage, weil die konkrete Beantwortung natürlich meine Deckung völlig verschwinden lässt. Ich will es so sagen: durch eine private Recherche zu einem mich damals beschäftigenden Thema, und weil ich wegen einer Erkrankung viel Zeit hatte, kam ich zufällig in Berührung mit Internet-Foren, die sich diesem Thema mehr oder weniger widmen. Schon da fiel mir auf, dass dort äußerst fragwürdige Gedanken geäußert wurden und die meisten dieser Foren eher der Agitation als der Information dienten. Eines stach durch wirklich themenbezogene Diskussionen und einen moderaten „Tonfall“ auf. Dort meldete ich mich an. Erst im Laufe der Zeit und durch eine mehr und mehr radikalisierte Teilnehmerschaft wurde mir bewusst, dass die Szene erstens größer ist als gedacht und zweitens die Akzeptanz immer schlimmerer Kommentare und Personen von Anfang an sehr groß war, selbst wenn man sich von den „schlimmen Dingen“ ausdauernd distanziert hat. Ich hatte anfangs eine Reihe themenbezogener Fragen, die auch mehr oder weniger beantwortet wurden. Dann aber wurde ich von einer morbiden Faszination ergriffen. Ich frug mich, wie es möglich ist, dass mitten in der bürgerlichen Mittelschicht ein erschreckendes Maß an Bereitschaft existiert, die radikalsten Einstellungen zu tolerieren.

Was ist Ihr Fazit?

Die Gesellschaft steht vor einer großen Herausforderung. Montagsmärsche und Alles was folgte sind KEINE demokratischen Meinungsäußerungen (das wird aber behauptet), wenn damit eine Minderheit versucht, der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen. Das alles wird mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt – was natürlich Unfug ist, weil dieses Recht den Bürger vor Übergriffen des Staates schützen soll und nicht berechtigt, ungefragt und aggressiv die eigene Meinung anderen aufzuzwingen. Dies scheint mir in der Diskussion vergessen zu werden, obwohl es ein ganz zentraler Punkt ist. Die Querdenker und Reichsideologen (sowie alle zugehörigen Schattierungen) sind durch nichts anderes „legitimiert“, als durch ihre eigene Definition. Sie sind undemokratisch und in weiten Teilen gewaltbereit oder wenigstens bereit, Gewalt zu dulden.

Welche These aus der Szene hat Sie am meisten fasziniert/begeistert/erschüttert?

Es ist wohl die grundsätzliche Ablehnung jeder gesellschaftlichen Verantwortung, die schockiert. Sie manifestiert sich in einer (im ursprünglichen Wortsinn) asozialen Haltung gegenüber jeder Form von Solidargemeinschaft – bis hin zu Gewaltbereitschaft oder -duldung.

Wozu raten Sie im Umgang mit Querdenkern?

Ignorieren. Diskutieren ist – wie ich auch schreibe – sinnlos, wenn einer der Diskussionspartner die Wahrheit „gepachtet“ hat. Dabei muss man auch daran denken, dass im persönlichen Gespräch oft, wenn man so sagen darf, das „Schafsfell“ übergestreift und manchmal – aber stets „von oben herab“ – Verständnis geheuchelt wird. Dahinter steht meiner Erfahrung nach in 99 % der Fälle keine konstruktive Auseinandersetzung mit den geäußerten Argumenten, sondern lediglich das Vermeiden einer wirklichen Diskussion.

Was wünschen Sie sich für die Gesellschaft im Allgemeinen?

Mehr Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Ich weiß, das ist beinahe unmöglich, wenn sowohl Schulsystem, wie auch Politik und die (natürlich) korrupten Mainstream-Medien rundheraus abgelehnt, sowie wissenschaftlich belegte Tatsachen ohne gegenteilige Basis (!) als gelogen abgetan werden. „Wir“ müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Geist aus der Flasche ist. Um Brecht zu zitieren: So was hätt` einmal fast die Welt regiert! Die Völker wurden seiner Herr, jedoch – Dass keiner uns zu früh da triumphiert – Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch! Solange die demokratischen Kräfte aus politischem Kalkül keine wirkliche Strategie entwickeln, sondern lediglich wohlfeil immer wieder ihre Ablehnung formulieren, laufen wir Gefahr, die gesellschaftliche Erosion nicht aufhalten zu können. Um noch einmal an Vergangenes zu erinnern: von Papen wollte 1933 den „österreichischen Gefreiten“ in die Ecke quetschen, „bis er quiekt“ … der Rest ist Geschichte; und die wiederholt sich leider allzu oft.

Was planen Sie für die Zukunft?

Angesichts der offenen und angedeuteten Bedrohungen aus der Szene, kann ich mir momentan keine weitere Recherche oder gar eine Publikation zum Thema „Querdenker“ vorstellen. In Arbeit befindet sich eine Reportage über die Kunstbergungsanlage der Nazis im Nürnberger Burgberg.

Vielen Dank Herr Zwidtmayr, dass Sie meine Fragen so offen beantwortet haben.

Gerne.

Das Interview führte Martin Mändl, Fraktionssprecher BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN im Marktgemeinderat Wendelstein, Direktkandidat für die Bay. Landtagswahl 2023 im Stimmkreis Roth

Zwidtmayr, Ferdinand
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen
17 x 24 cm Paperback
136 Seiten; geb.
ISBN 978-3-945314-09-8
VK [D] 12,50 €
Überall im Buchhandel erhältlich
oder direkt beim Verlag: vertrieb@gus-verlag.de

Von: Martin Mändl (Fraktionssprecher BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN im Marktgemeinderat Wendelstein), Dienstag, 13. Dezember 2022 - Aktualisiert am Mittwoch, 11. Januar 2023
Weitere Informationen, Artikel und Termine von »Bündnis 90 / Die Grünen - Ortsverband Wendelstein« finden Sie unter: www.meier-magazin.de/gruene-wendelstein

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