Mehr Frauen in die Technik – und Männer in die Gastronomie ?
Region - Hightech aus dem Landkreis. Die technischen Spitzenunternehmen der Region haben in Hilpoltstein und Wendelstein Nachwuchs gesucht. Junge Frauen sind im technischen Bereich durchaus gefragt. In der Gastronomie dominieren sie.
Vanessa Rauwolf erinnert sich noch gut an ihre ersten Kontakte mit der Mathematik: „In der fünften und sechsten Klasse stand ich immer fast auf fünf“, sagt die 36-jährige Pädagogin. Dann ist sie nach und nach besser geworden und hat sogar Mathe-Leistungskurs gewählt. „Andere Lehrer konnten mich begeistern, so wurde Mathe für mich anschaulich“, begründet sie diese Entwicklung. Im Abitur ist sie mit „Eins“ bewertet worden. Danach hat sie in Eichstätt Mathematik und Informatik studiert. Abgeschlossen hat Rauwolf mit einem Master in Informatik. Nach fünf Jahren in der Wirtschaft hat sie sich für den Lehrerberuf entschieden und ein Referendariat absolviert.
Als Studienrätin bildet sie heute technische Assistenten für Informatik an der Berufsfachschule Informatik in Roth aus. Dabei beobachtet sie den geringen Frauenanteil in den Klassen. „Es sind 17 Prozent.“
Als Hauptgrund für das geringe Frauen-Interesse sieht die Lehrerin immer noch Traditionen in der Erziehung. Ihr eigener Weg ist für sie Beispiel und Ansporn für ihre Geschlechtsgenossinnen, sich für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern. „Mädchen können das ebenso wie Jungs, wenn der Sozialisierungseinfluss stimmt“, ist sie überzeugt. In ihrer Familie hat Vanessa Rauwolf hauptsächlich durch ihren Vater Kontakt mit Rechnern bekommen. „Er hat sich mit Hardware und Betriebssystemen beschäftigt“, sagt sie.
Die Berufsfachschule war einer von fast 180 Teilnehmern bei den Lehrstellenbörsen in Wendelstein und Hilpoltstein, die dort um Azubis geworben haben. Sie ist an der Rother Berufsschule angesiedelt. Jährlich beginnen dort 25 junge Menschen ihre Ausbildung.
Bei den beiden Börsen haben auch viele mittelständische Unternehmen aus dem Landkreis unter Beweis gestellt, wie interessant, vielfältig und karriereorientiert eine Ausbildung bei ihnen sein kann.
Die Betriebe legen aufseiten der Bewerber hauptsächlich Wert auf allgemeine Fähigkeiten wie Pünktlichkeit, handwerkliches Geschick, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen. Fast immer geht einer erfolgreichen Bewerbung ein Praktikum voraus.
„So hat es auch bei mir begonnen“, sagt Marco Obergruber, der nach dem Quali bei Speck Pumpen angeheuert hat und mit 25 Jahren bereits stellvertretender Ausbildungsleiter ist. Seiner Erfahrung zufolge haben sich die von Vanessa Rauwolf angesprochenen „Sozialisierungseinflüsse“ für Mädchen auf dem Weg zu jungen Frauen offenbar noch nicht geändert. Er und die Ausbildungsverantwort- lichen anderer Betriebe sehen Frauen in den technischen Berufen deutlich unterrepräsentiert. „Drehen, Schleifen, Fräsen schreckt Frauen bei der Suche nach einer Ausbildung offenbar noch ab“, heißt es. Unerschrockene können sich aber sehr gerne beim Girls’Day‘ versuchen, zu dem Speck Pumpen gleich drei Berufe vorstellt.
Frauen haben in technischen Bereichen häufig ausschließlich ergänzende Funktion. „Die einzige Frau bei uns ist die Team-Assistentin“, sagt ein Auszubildender vom Rother Klärwerk. Sie übernimmt Aufgaben der kaufmännischen Verwaltung. „Bei unseren Gärtnern sieht es ein wenig besser aus mit Frauen“, ergänzt Leo Näpflein von der Personalverwaltung der Kreisstadt Roth.
„Bei uns sind prozentual in den technischen Berufen mehr männliche als weibliche Mitarbeitende und Auszubildende tätig“, sagt auch Tina Mayer vom Personalwesen bei der HT GROUP in Heideck. Sie nehme auch kein größeres Interesse der Frauen an technischen Berufen wahr, schildert sie jüngste Erfahrungen, findet es aber durchaus wichtig, Schülerinnen den Weg zu technischen Berufen offenzuhalten.
„Eine gute Maßnahme dafür ist der sogenannte ‚Girls’Day‘, zu dem wir diesmal sieben Mädchen bei uns begrüßen werden“, erklärt Mayer die Haltung ihrer Firma. An diesem Tag können die Mädchen bei der HT GROUP in die Berufe Konstruktionsmechanikerin, Technische Systemplanerin und Elektronikerin hineinschnuppern.
Mehr als „hineinschnuppern“ in einen eher Männer dominierten Job will eine 14-Jährige bei der Firma Korrodin.
Dort erkundigt sie sich nach einem Ausbildungsplatz als „Fachlageristin“, der vorschriftsgemäß für alle Geschlechter ausgeschrieben ist: „männlich, weiblich, divers.“ Sie suche jedes Jahr jeweils Auszubildende für das Büro, das Lager und den Vertrieb, sagt Ausbildungsleiterin Sonia Schwarz-Alvarez.
Insbesondere im Vertrieb haben bei dem Nürnberger Spezialisten für Verbindungsteile zunehmend auch Frauen Plätze eingenommen. Vier der 13 Vertriebler sind bei Korrodin weiblich. „Im Kontakt mit den Kunden ist hohes technisches Verständnis erforderlich“, beschreibt Schwarz-Alvarez die dafür erforderlichen Fähigkeiten.
Bei Albert Fahrzeugbau würde man Frauen als Mitarbeiterinnen und Auszubildende durchaus begrüßen. „Das verbessert die Gruppendynamik und das Verhalten“, sagt Service-Leiter Jochen Dunkelmann. Die körperliche Arbeit im Karosserie- und Fahrzeugbau kann anfangs herausfordernd sein – aber das gilt ebenso für viele 16-jährige Jungen, die direkt von der Schule in das Handwerk starten.
Eine junge Frau gibt es in dem Unternehmen mit mehreren Standorten in der Metropolregion bereits. Sie ist bei Zanner Fahrzeugbau tätig und engagiert sich unter anderem für den ‚Girls Day‘, um mehr Aufmerksamkeit für das Handwerk zu schaffen und zu zeigen, dass Frauen in sogenannten „Männerberufen“ nicht nur tätig sein können, sondern es bereits sind.
Im Bereich der Gastronomie sind die Verhältnisse völlig anders.
Sylvia Lehmann ist Chefin zweier Hotels. Sowohl im Schwabacher „Goldschläger Boutique Hotel“ als auch im „Schwan“ in Schwanstetten sind die Frauen in der Überzahl und managen den Betrieb. In Schwabach steht acht Damen ein Mann gegenüber. In Schwand arbeiten acht Frauen und vier Männer. Sie sind die Profis in der Küche.
Für Sylvia Lehmann sind in allen Bereichen ihrer Betriebe Frauen und Männer willkommen „Gegenwärtig liegt sogar eine Bewerbung eines Mannes als ‚Roomboy‘ auf meinem Tisch“, sagt sie. In größeren Häusern sei das durchaus üblich.
„Ein Drittel Männer und zwei Drittel Frauen“, laute dort das Verhältnis bei den „Zimmermädchen“. Männer seien dafür bestens geeignet, wenn sie über die Liebe zum Detail und zur Perfektion verfügten. „Denn Zimmer sorgfältig reinigen und aufbereiten ist sehr anstrengend“, weiß Lehmann.
Seit 2018 existiert in Wendelstein die Ausbildungsstelle für einen Schornsteinfeger. Florian Ullrich ist Unternehmer, erfüllt aber auch hoheitliche Aufgaben für den Staat. Er bildet alle drei Jahre einen neuen Kollegen aus.
Für den 1. September 2025 sucht er noch. „Frauen bewerben sich eher wenig“, hat er festgestellt, „aber ich würde sehr gerne eine Frau ausbilden.“ Als Dozent bei der Innung habe er im ersten Lehrjahr bei zehn Anfängern vier Frauen unterrichtet, schildert der 39-jährige Meister ein offensichtlich zunehmendes weibliches Interesse am Beruf des Schornsteinfegers. Schließlich sei er „cool und zukunftsträchtig“, versichert Ullrich, „denn man ist auf so wichtigen Feldern wie Energieberatung und Einsatz regenerativer Energieerzeugung tätig“.
Berufsbilder ändern sich also. Auch dadurch steigen die Chancen für junge Frauen, in bisherigen Männerdomänen Fuß zu fassen – und Männer finden ihre Berufung mitunter in bislang von Frauen dominierten Bereichen.
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