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Von echten und unechten Goldgruben

Nürnberg - „Das Verlangen nach Gold, ist nicht jenes nach Gold. Es ist zum Zwecke von Freiheit und Wohlfahrt!“ - Ralph Waldo Emerson

  • Wolfgang Juds beim Interview in der Frankfurter Börse

    Wolfgang Juds beim Interview in der Frankfurter Börse

Die Börsen erleben derzeit eine turbulente Achterbahnfahrt. Während die Angst vor einer Ausbreitung des Corona-Virus die Märkte im März auf Talfahrt schickte, setzte anschließend eine Erholung ein, die im Laufe der Zeit immer mehr an Dynamik gewann. Zunächst war es die Angst vor Verlusten, die die Anleger belastet hat. Heute ist es die Furcht, den Aufschwung zu verpassen – ungeachtet der aktuellen wirtschaftlichen Situation. Es setzte regelrecht eine Kaufpanik ein! Von seinem Tief am 18. März 2020 mit 8.442 Punkten konnte der deutsche Leitindex DAX um 54,9 % zulegen und bis Mitte November mit 13.076 Punkten fast wieder den Stand vom Jahresbeginn erreichen. Doch nur wer konsequent investiert geblieben ist und sich nicht ablenken ließ, konnte von der Erholung profitieren. Die Gefahr besteht darin, in den extremen Phasen einen Strategiewechsel zu vollziehen. Wie kann es gelingen, sich unabhängig von Umständen auf das Wesentliche zu konzentrieren und fokussiert zu bleiben?

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Levi Strauss. Gemeinsam mit seinem Partner Jacob Davis gilt er als Erfinder der Jeans. 1847 wanderte seine Mutter mit den jüngsten Kindern aufgrund der großen wirtschaftlichen Not nach Amerika aus. Dort betreiben seine Brüder einen Handel für Kurzwaren und Stoffe. Als die Nachricht von Goldfunden in Kalifornien die Ostküste erreichte, lockte es ihn nach San Francisco. Er erkannte, dass die Goldgräber für ihre Arbeit robuste Hosen benötigen und konzentrierte sich darauf, für seine Zielgruppe strapazierfähige Hosen herzustellen. Doch konnte er dem Anspruch der Goldgräber nicht gerecht werden. Erst die Idee von Jacob Davis, die stark belasteten Stellen der Hose mit Metallnieten zu verstärken, brachte die Lösung. 1873 erhielten Davis und Strauss das Patent für die genietete Hose. Die Nachfrage nach dieser Hose, der Jeans, war damals überwältigend und machte ihn zu einem reichen Mann. Am Ende seines Lebens besaß er mehr als sechs Milliarden Dollar und engagierte sich im sozialen und caritativen Bereich.

Die Geschichte von Levi Strauss ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Natürlich spiegelt sie die Erfüllung des amerikanischen Traums wider. Vom Tellerwäscher oder in diesem Fall vom Hausierer zum Milliardär trifft es sehr gut. Aber das allein reicht mir als Erklärung nicht aus. Mich fasziniert, dass er der Versuchung des Goldes widerstanden hat und nicht wie viele andere zum Goldgräber geworden ist, sondern bei seinem Kerngeschäft geblieben ist – dem Handel und der Verarbeitung von Stoffen und Kurzwaren. Daraus ist die Jeans als die Erfolgsgeschichte entstanden. Strauss hat den Bedarf seiner Zielgruppe, den Goldgräbern, gesehen und ihn bedient. Außerdem hat er an der Qualität seiner Produkte gearbeitet und sie entscheidend verbessert. Die Verstärkung der stark belasteten Stellen durch die Nieten brachte der Jeans den entscheidenden Durchbruch. Er blieb fokussiert und ließ sich nicht von den Verlockungen des Goldes ablenken.

Das allein erklärt aber den großen Erfolg der Jeans noch lange nicht! Ich habe mir die Frage gestellt, wieso es in diesem Geschäft keine Wettbewerber gab. Hosen zu nähen ist keine Raketenwissenschaft. Und die Hosen mit Nieten zu verstärken ist auch keine besondere Kunst. Warum also hatte er keine Konkurrenz? Wo waren die anderen Anbieter am Markt? Dafür habe ich folgende Erklärung: Das Hosen-Business sieht auf den ersten Blick langweilig aus. Viele schauen auf das Gold - und die Goldgräber wittern den enormen Verdienst. Anders als mit Jeans-Hosen scheint hier das große Geld möglich zu sein. Allerdings profitieren nur die wenigen Erfolgreichen vom Gold, die es in großen Mengen finden. Für die übrigen Goldsucher bleibt es nur ein Traum – der Wunsch nach Erfolg und Reichtum. Jeans-Hosen hingegen sind unspektakulär. Doch das Geschäft ist nur auf den ersten Blick unattraktiv. Da es kaum Wettbewerber gab, waren die Gewinnmargen hoch und die Hosen konnten in großen Stückzahlen hergestellt werden. Das brachte zusätzlich einen Skaleneffekt. Sowohl der Umsatz als auch der Gewinn stiegen kräftig. Die Jeans wurden zur eigentlichen Goldgrube, weil es keinen wirklichen Preisdruck gab und die Nachfrage hoch war. Außerdem sorgte die gute Qualität der Hosen für ein Alleinstellungs-merkmal für Levi Strauss und wurde zu einem „Burggraben“ für das Unternehmen.       

Welche praktische Bedeutung hat diese Erfolgsgeschichte von Levi Strauss für uns als Anleger? Auch die jüngste Kursrallye zeigt bekannte und typische menschliche Verhaltensweisen: Der Blick richtet sich zunächst auf das schnelle Geld und den vordergründigen Gewinn. Wenn wir langfristig erfolgreich agieren wollen, müssen wir tiefer schürfen. Wir müssen dorthin schauen, wo das vermeintlich langweilige und unspektakuläre Geschäft zu finden ist. Die entscheidenden Kriterien sind der Bedarf der jeweiligen Zielgruppe, die Qualität der Produkte und die Wettbewerbssituation. Aus der lässt sich häufig auch die Marge ableiten. In dieser Kategorien finden sich die sogenannten Qualitätsunternehmen mit solidem Wachstumspotenzial. Konsumgüterhersteller, bestimmte Versicherungsunternehmen, Serviceanbieter in Nischen sind typische Vertreter dieser Species. Erfahrene Investoren lieben diese Art von Investments. Andere hingegen zieht es zu den spektakulären Stories wie z. B. Wirecard.  Leider erweisen sich diese Aktien manchmal als Treibsand und weniger als Goldgrube, vor allem wenn das Geschäftsmodell zu gut aussieht um wahr zu sein und zusätzlich Betrug im Spiel ist. 

 

Das Fazit: Wir als Investoren entscheiden darüber, was wir kaufen und zu welchem Preis wir kaufen. Egal ob Qualität oder Ramsch, egal ob billig oder teuer, egal ob kurzfristig oder langfristig – niemand weiß, ob die Kurse steigen oder fallen. Wir müssen die Widersprüche an der Börse ertragen.  Kurzfristig mag sich die Spekulation auszahlen. Nur langfristig entscheiden die Qualität, der Einstiegspreis und der Anlagezeitraum über die Ertragsdynamik. Lassen Sie uns an den bewährten Prinzipien festhalten – das zahlt sich langfristig aus! Überlassen Sie die Spielwiese der Spekulation den anderen. Bleiben Sie besonnen, auch wenn Sie vermeintlich Gelegenheiten verpassen. Am Ende wird abgerechnet. Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose anhat. Bleiben Sie gelassen! Es wird noch genug Chancen geben, hervorragende Titel zu günstigen Preisen einzukaufen.

Es grüßt Sie herzlich,

Ihr Wolfgang Juds

 

Es grüßt Sie herzlich, 

Ihr Wolfgang Juds

Von: Wolfgang Juds (Geschäftsführer), Freitag, 20. November 2020 - Aktualisiert am Montag, 07. Dezember 2020
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