meier Magazin - September 2022 / 23. Jhg.

35 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) / BUND-Ökotipp Pilze schmackhafte Leckerbissen und wichtige Lebensspender Die letzten Sommerwochen des Jahres brechen an. Sobald es etwas regnet, juckt es vielen Menschen in den Fingern: Sie wollen Pilze sammeln gehen. Pfifferlinge mit Knödeln, Pasta mit Pilz-Soße, oder eine bunte Pilzpfanne – Pilze sind schmackhaft, eine gute Fleischalternative und wachsen in unseren Wäldern. Einfach drauf lossammeln sollte aber vermieden werden. Wer sich nicht auskennt, geht besser in den Super- markt und schaut nach heimischen Angeboten. Denn die Verwechs- lungsgefahr bei Pilzen ist groß und der Verzehr von giftigen Pilzen kann schnell im Krankenhaus enden. Und auch für erfahrene Sammler gibt es„in den Pilzen“ einiges zu beachten. Pilze: eine eigene Gattung von Lebewesen Wussten Sie, dass Pilze offiziell gar nicht als Pflanzen gelten? „Das, was wir Pilze nennen, ist eigentlich nur der Fruchtkörper. Das eigentliche Lebewesen, das Pilzgeflecht oder Myzel, lebt im Verborgenen in der Erde oder im Holz“, erklärt Tamara Pilz-Hunter, Pilzexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Vielfalt der Pilze ist riesig: Es gibt drei bis fünf Millionen Arten von ihnen. Dabei sind die allermeisten von ihnen bis heute nicht wissenschaftlich beschrieben. Das Bundesamt für Naturschutz geht von rund 14.000 Arten allein in Deutsch- land aus, von denen nur etwas mehr als 5.000 mit bloßem Auge zu er- kennen sind – vorausgesetzt, sie haben ihre Fruchtkörper aus dem Boden oder Holz geschoben. Pilze sind nämlich nur eine kurze Zeit im Jahr als „Großpilze“ sichtbar. Der Boden macht‘s: wo Pilze wachsen „Die Pilze sind immer da, sie sind in der Erde, aber die Frucht bildet sich erst, wenn es feucht und nass wird. Um „in die Pilze zu gehen” ist demnach der richtige Zeitpunkt entscheidend. Viele beliebte Pilze trifft man zum Beispiel an nährstoffarmen und im Jahresdurchschnitt trockenen, zum Beispiel sandigen Böden an. „Die beliebtesten Speise- pilze, die Röhrlinge, zu denen auch Steinpilze, Maronen gehören oder die Pfifferlinge sind Symbiosepilze und genau dort zu finden“, sagt die BUND-Expertin. Im naturnahen Mischwald, wo reichlich Totholz liegt, findet man Pilze, die dieses Holz als Nährboden lieben. Sammler*innen können unter anderem den Austernseitling, die Krause Glucke, den Hallimasch und das Stockschwämmchen antreffen. Diese sind auch weniger vom Regen abhängig, da sie ihren Wasserbedarf dem Holz entziehen. Pilze richtig erkennen Es braucht einiges an Erfahrung, um Pilze imWald richtig zu identifizie- ren. Steckbriefe von Pilzen lesen sich häufig wie Poesie – sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pilze oft sehr schwer zu bestimmen sind. Neben Ausdauer und Erfahrung bringt einen Feinmotorik bei der Pilzbestimmung weiter. Und helfen die äußeren Merkmale nicht bei Identifikation, muss der Fund daheimunter das Mikroskop. Mehr als jeder zweite Pilz lässt sich nur mit einem Blick auf die Sporen und andere Mikromerkmale bestimmen. Für Pilz-Einsteiger*innen lohnt es sich, eine fachkundige Führung durch denWald, wie sie von vielen BUND-Gruppen angeboten wird, zu besuchen. Kostbaren Naturschatz erhalten Alles, was wir in der Natur lieben und anschauen ist mit Pilzen verwoben. Alles Leben im Boden hängt vom Wirken dieser Fadenwesen ab. 95 Prozent unserer Landpflanzen leben in Symbiose, also in gegenseitigem Nutzen und gegenseitiger Abhängigkeit mit Pilzen – auch Nahrungsmit- tel wie Mais und Getreide, Obst und Gemüse. Wir tun also gut daran, sorg- sammit den Pilzen umzugehen. Etwa ein Drittel unserer heimischen Pil- zarten sind entweder extrem selten oder gefährdet. Fünf Prozent sind sogar vom Aussterben bedroht oder sind bereits ausgestorben. Pilz-Hunter:„Es sind dabei weniger die Pilzsammler, die die Arten gefähr- den, als vielmehr die intensive landwirtschaftliche Nutzung. Überdüngte Böden und die Belastung des Bodens mit Stickstoff und Phosphat sind das Hauptproblem für die Nützlinge.“ Auch das Ersetzen von Mischwäldern durch Monokulturen, die Zerstö- rung von naturnahem Lebensraum und Biotopen, die Umwandlung von Magerwiesen zu Intensivgrünland, oder das Trockenlegen von Feucht- wiesen und Mooren sind ein Problem für die Pilze.„Das Pilzesammeln für den Privatverzehr ist unproblematisch, solange an einem Fundort darauf geachtet wird, nicht alle Pilze abzuernten und das Myzel nicht zu zerstören“, so die Expertin abschließend. Weitere Informationen: BUND-Interview mit Tamara Pilz-Hunter: www.bund.net/pilze-audiointerview BUND-Angebote: Etliche BUND-Gruppe in Deutschland bieten herbstli- che Exkursionen mit fachlicher Begleitung an. Die Geschäftsstelle vom BUND-Berlin bietet eine kostenlose Pilzberatung für die Öffentlichkeit an. Die Beratung wird von BUND- zertifizierten Pilzsachverständigen durchgeführt. Pilzinteressierte können außer- dem Teil der Pilz-Arbeitsgruppe werden: www.meier-magazin.de/link/236 Beim BUND-Niedersachsen ist das Projekt „ID-Pilze“ gestartet. Mit- hilfe einer neuen App erhalten junge Menschen die Möglichkeit, dass Reich der Pilze kennenzuler- nen. Gemeinsammit der Universi- tät Marburg will der BUND junge Menschen pilzkundig machen. Dafür sind bis zum Herbst 2023 mehrere Exkursionen und Ausstel- lungen geplant. Wer Interesse hat, kann die App dann unter Anlei- tung ausprobieren: www.meier-magazin.de/link/237 Im Schwarzwald ist mit Karin Pät- zold eine weitere BUND-Expertin aktiv, die Kindern der örtlichen Schule die Pilze nahbringt und Führungen imNationalpark anbie- tet: www.bund-kinzigtal.net/ < Interviewmit Rudolf Rossmeissl, Leiter der Kreispilzberatung im Landkreis Roth, auf der nächsten Seite. C

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