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Ich geh´ in´s Trauercafe!

Feucht - Das Trauercafe im Mesnerhaus, 90537 Feucht, Hauptstraße 64 lädt an jedem 1. und 3. Mittwoch im Monat von 16.00 bis 18.00 Uhr Trauernde ein, sich mit anderen Betroffenen und Betreuern auszutauschen. Eine Teilnehmerin erzählt über ihre Erfahrungen bei den Treffen.

Ich geh´ in´s Trauercafe!

Wir sitzen im Halbkreis vor dem Altar in der Philippus-Kirche in Rummelsberg. Herr Deyerl und die Pfarrerin aus Altdorf gestalten mit uns einen Gottesdienst lang das Thema: Wie soll ich leben ohne Dich? Ich bin das erste Mal in diesem Kreis dabei und mir geht es nicht gut. Mein Mann ist vor knapp einem Jahr überraschend gestorben und ich weiß immer noch nicht, wie ich den Verlust bewältigen soll. Deshalb bin ich hier, genauso wie die Menschen an meiner Seite.  Wir alle haben einen geliebten Menschen verloren. Und suchen einen Weg, damit unser Leben wieder heller wird.

Auf dem Boden sind verschiedenfarbige Tücher in Form einer begehbaren Schnecke ausgelegt. Man kann sich spiralförmig von außen in das Innere des Schneckenhauses flüchten und auch wieder heraus kommen. Das Hineingehen  scheint leichter zu sein. Ich kann mich nicht überwinden, diesen symbolischen Weg zu gehen. Es gibt noch weitere Angebote. In einem Winkel der Kirche zünde ich eine Kerze an, in einem anderen können Briefe für oder an die Verstorbenen geschrieben werden. Diese Trauer kostet sehr viel Kraft. Und doch sind all diese Rituale und Beschäftigungen nötig und richtig, damit wir  innerlich gesunden und überleben können. Sagt Herr Deyerl. Mein Kopf weiß es, mein Herz will erst noch überzeugt werden.

Wieso komme ich überhaupt hierher?

In der Zeitung „Der Bote“ war vor zwei Jahren zu lesen, dass im Mesnerhaus in Feucht jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat ein Trauer-Cafe stattfindet. Ich hatte lange genug auf meine Weise versucht, wieder im Leben Tritt zu fassen. Mittlerweile kam ich an vielen Tagen schon mit dem Alleinleben zurecht, aber es hatte eine völlig andere Qualität, soweit dieses Wort hier überhaupt angebracht war. So rang ich mich durch, in dieses Trauer-Cafe zu gehen. Natürlich waren da viele Ängste. Wie würde ich reagieren? Welche Leute wären dort? Würde es mich noch mehr herunterziehen?

Ich nahm all meinen Mut zusammen und ging hin. Es waren mehr Frauen als Männer dort, ich war mit gut 60 Jahren eine der Jüngeren. Die Tische waren gedeckt, schön dekoriert und mit Kerzen geschmückt. Es gab Kaffee und Kuchen. Herr Deyerl und Frau Selz-Eisenhut kümmerten sich verständnisvoll um uns. Die Atmosphäre in der Vorstellungsrunde war sehr frei. Keiner musste sprechen, jeder konnte. Es war gar nicht so leicht, die eigene Geschichte vor den Anderen zu erzählen. Doch nachdem ich es geschafft hatte, fühlte ich mich verstanden. Ein Anfang war gemacht.

Es werden vielfältige Themen bei den Treffen vorgeschlagen: Gedichte, Märchen oder Bibelstellen. Schöne Freundschaften haben sich ergeben. Wir gehen gemeinsam wandern und kochen miteinander.

Wir helfen einander. Die wenigen Männer werden gelegentlich bemuttert. Es gibt kleine Geschenke an Weihnachten. Wir gehen gern zu den Treffen. Auch an Tagen, die sich sehr mühevoll anfühlen. Die beiden Gesprächsleiter lenken Diskussionen und Prozesse recht geschickt. Weitere ehrenamtliche Helferinnen kümmern sich gelegentlich um uns. Das Gesamtpaket ist schön, wir haben jetzt ein schönes kleines und warmes (!) Zimmer, fast schon ein kleines Nest. Dadurch sind wir sprichwörtlich näher zusammen gerückt.

Ich lernte Menschen kennen, die sich ohne große Erklärungen verstehen und für einander da sind. Ich konnte reden, weinen, lachen, umarmen und mich in einem geschützten Rahmen öffnen. Ich war nicht mehr allein und erlebte eine neue Form der Geborgenheit. Eines der allerwichtigsten Dinge: Wenn ein Tag einmal wieder grau und hoffnungslos scheint, sind die Anderen da, um das auszugleichen. Auch wenn sich dadurch nicht viel ändert, ist es doch tröstlich und lässt die Hoffnung nicht ganz schwinden.

Nach über einem Jahr meiner Anwesenheit im Trauer-Cafe kam der Gedanke, ob ich es noch nötig hätte, weiterhin dort hinzugehen. Von außen war die Frage an mich herangetragen worden, „Ist es nötig, immer wieder die alten Wunden aufzureißen“? Es ist nötig. Und es ist kein Wunden aufreißen, sondern der Versuch, zu begreifen, zu akzeptieren und einen neuen Weg zu finden, weiter zu leben. Es ist eine schwere Arbeit. Das, was der und die Einzelne gerade durchmacht, braucht Zeit, viel Zeit. Auf die Frage, wie es mir ginge, sagte ich einmal beim Treffen: „Es wird besser“. Der Gesprächsleiter widersprach mir jedoch: „Es wird nicht besser, es wird anders“.

Mittlerweile möchte ich diesen Kreis nicht mehr missen. Viele von uns sind seit Anfang an dabei. Ich bin froh, dass es das Trauer-Cafe gibt.

 Waltraud H.

 

Weitere Termine der Trauercafes im Nürnberger Land finden Sie auf der
» Internetseite des Trauernetzwerkes Nürnberger Land

 

Lesen Sie auch weiter unter » Hilfe für Trauernde

Von: Erhard Spiegel (Öffentlichkeitsarbeit Rummelsberger Hospizarbeit), Samstag, 04. Februar 2017 - Aktualisiert am Mittwoch, 22. Februar 2017
Weitere Informationen, Artikel und Termine von »Verein Rummelsberger Hospizarbeit mit Begleitung Trauernder« finden Sie unter: www.meier-magazin.de/hospizverein-rummelsberg
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