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Die Juraleitung “P53” – Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt bleibt … am Ende im Dunkeln?

Wendelstein - Die Juraleitung „P53“ ist aktuell wieder allgegenwertig, sei es in der Zeitung, in den sozialen Medien, oder auch in den teils sachlichen, teils aber auch sehr emotionalen Diskussionen mit Freunden, Bekannten oder besorgten Bürgern. Wieso erregt diese Stromleitung derart unsere Gemüter? Weshalb machen wir uns Sorgen? Und warum reicht die „alte“ Leitung nicht aus? Fragen, die wir uns sicherlich alle schon gestellt haben und die ich auch Rudolf Göllner von den Freien Wählern in Wendelstein gestellt habe. Rudolf Göllner engagiert sich seit über fünf Jahren aktiv in der Wendelsteiner Bürgerinitiative zum Thema „P53“. Er hat sich in diesen Jahren ein umfassendes Wissen angeeignet und bereits Vorträge zu diesem Thema in benachbarten Gemeinden gehalten. Mit diesem Interview hoffen wir einige Fragen zu beantworten.

  • Jürgen Lechner

    Jürgen Lechner

[Jürgen Lechner] Rudolf, Du beschäftigst Dich seit nunmehr über fünf Jahren mit der P53? Wie kam es dazu?

[Rudolf Göllner] Ich erinnere mich noch genau an den 1. Juni 2015, als in der NN ein Bericht von Franziska Holzschuh über den Ersatzneubau erschien. Bald erkannte ich, dass es sich hier um die Trasse ganz nahe am Wendelsteiner Südrand (und Klein’loher Nordrand) handelt und fing an im Marktgemeinderat Fragen zu stellen. Noch im selben Jahr wurde die parteiübergreifende Arbeitsgruppe der Marktgemeinde gegründet und begann zu arbeiten.

[JL] Wieso braucht es den Ersatzneubau der Juraleitung P53?

[RG] Unsere Gesellschaft und die Industrie sind auf ein äußerst stabiles und hochverfügbares Stromnetz angewiesen. Dazu müssen Produktion und Verbrauch immer im Gleichgewicht sein. Die Bestandstrasse ist 70-80 Jahre alt und auf Dauer ist hier kein sicherer Betrieb mehr möglich. Der Stromverbrauch in Bayern steigt stetig und durch die Abschaltung der gefährlichen Atomkraftwerke fehlen in Bayern ca. 40 TWh/Jahr. Somit ist Bayern ab 2022 von Strom-Import abhängig. Auch die dreckigen Kohlekraftwerke sollen bis 2038 oder früher vom Netz. Windstrom (on- u. offshore) kommt überwiegend aus dem Norden und im Winter, Solarstrom aus dem Süden (Bayern) im Sommer. Beide erneuerbaren Energien schwanken sehr stark, abhängig vom Wetter.

[JL] Zuletzt hat man viel über „Freileitungen“ und „Erdverkabelung“ gelesen. Einige Leute behaupten, dass die Erdverkabelung nicht ausgereift ist und es auf diesem Gebiet noch zu wenig Erfahrungen gibt. Was sollten wir Deiner Meinung nach darüber wissen?

[RG] Viel! Erdkabel kosten ca. 4 – 8-mal so viel wie Freileitungen. Durch eine höhere Fehlerhäufigkeit und Ausfallzeiten wegen längerer Reparaturdauer, bieten sie eine wesentlich geringere Verfügbarkeit. Die bei Drehstrom-Höchstspannungs-Erdkabeln schon ab einigen Kilometer Länge entstehende Blindleistung, kann nur aufwendig und kostenintensiv kompensiert werden. Dadurch ist die realistische, praktikable Länge von Erdkabeln begrenzt. Die Kabel-Übergangs-Anlagen (KÜA) von Frei- zu Erdkabel und zurück messen halbe Fußballfelder.

[JL] Immer werden in den Diskussionen zur „P53“ die gesundheitlichen Risiken durch Strahlen und Magnetfelder aufgeführt. Das verunsichert, bzw. verängstigt die Leute. Wie kann man sich das als „Nicht-Physiker“, bzw. „Nicht-Mediziner“ vorstellen?

[RG] Hier müssen wir zwischen elektrischer und magnetischer Strahlung unterscheiden. Elektrische Strahlung entsteht durch anliegende Spannung, und dringt nicht durch Gebäude. Magnetische Strahlung entsteht durch Stromfluss und ist von dessen Stärke abhängig. Sie dringt auch durch Gebäudeteile. Der gesetzliche Grenzwert für magnetische Strahlung von 100 µT ist im internationalen Vergleich völlig überhöht und bietet keinen wirklichen Gesundheitsschutz. Nur durch den im Landesentwicklungsprogramm Bayern seit wenigen Jahren als „Sollvorschrift“ genannten Mindestabstand von 400/200 m für Freileitungen und ergänzend 100 m für Erdverkabelung können die Menschen wirksam geschützt werden.

[JL] Könnte man die Stromtrasse vermeiden? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

[RG] Alle uns bekannten, ernstzunehmenden Wissenschaftler nennen als Voraussetzung für ein Gelingen der Energiewende die konsequente Realisierung der Sektorenkopplung von Strom, Wärme und Verkehr. Dafür benötigen und befürworten wir eine wesentlich umfangreichere Erzeugung und Nutzung von erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind. Uns sind keine realistischen Konzepte für eine zuverlässige und sichere dezentrale Versorgung bekannt und es gibt dafür keine bereits umgesetzten Lösungen, welche auf breiter Basis machbar und bezahlbar sind. Unsere Gesellschaft und Zivilisation sind auf ein äußerst stabiles und hochverfügbares Stromnetz angewiesen. Dieses kann nur im europäischen Verbund gesichert werden. Für eine erfolgreiche Klima- und Energiewende benötigen wir mehr erneuerbare Energien und für deren umfangreiche Nutzung Speicher und Netze.

[JL] Wo im Prozess stehen wir aktuell und wie sehen die weiteren Verfahrensschritte aus?

[RG] Durch entsprechende Beschlüsse ist nun auch für Teile des Ersatzneubaus der Juraleitung P53 eine Erdverkabelung rechtlich zulässig und planbar. Die Tennet hat soeben bei den zuständigen Bezirksregierungen das Raumordnungsverfahren (ROV) begonnen. Bis Mitte Juli können alle Betroffenen (Gemeinden, Bürgerinitiativen und Privatpersonen) dazu Stellung nehmen. Voraussichtlich nächstes Jahr wird daraus eine landesplanerische Beurteilung der Regierungsbezirke. Auf dieser Basis kann eine detaillierte Planung, z.B. mit konkreten Positionen von Strommasten erstellt werden und ein Planfeststellungsverfahren (PFV) eingeleitet werden. Wird daraus ein rechtsgültiger Planfeststellungsbeschluss, kann mit dem Bau der neuen Trasse begonnen werden. Nach deren Fertigstellung wird die alte Bestandstrasse abgeschaltet, incl. Fundamenten abgebaut und ggf. aufgeforstet.

Anders als andere Gruppierungen lehnen wir Freie Wähler Wendelstein die Juraleitung nicht komplett ab. Wir sind zum einen der Auffassung, dass die Energiewende und der stetig wachsende Strombedarf – u.a. auf Grund der E-Mobilität, der Digitalisierung, etc. – nur mit erneuerbaren Energien und zuverlässigen, leistungsstarken Netzen bewältigt werden kann. Zum anderen sehen wir, dass die Bevölkerung, aber auch die Wirtschaft von einer stabilen, immer verfügbaren Stromversorgung extrem abhängig ist. Auch hier sehen wir den Mix aus regional- und überregional erzeugtem Strom als wichtigen Aspekt.

Nichtsdestotrotz lehnen wir die aktuell geplante Trassenführung kategorisch ab. Zwar nehmen wir zur Kenntnis, dass durch die von der Tennet bevorzugte Variante bereits mehrere Tausend Einwohnerinnen und Einwohner in unserer Marktgemeinde deutlich entlastet werden, jedoch in Kleinschwarzenlohe die empfohlenen Mindestabstände bei Weitem nicht eingehalten werden. Das hat zur Konsequenz, dass für die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger, sowie für den neuen Kindergarten „Little Sunshine“ die Belastung sogar noch größer wird. Laut Tennet war es in diesem Teilabschnitt der P53 eine „sehr enge Entscheidung“ zu Gunsten der aktuell vorgeschlagenen Trassenführung über Kornburg nach Kleinschwarzenlohe und dann entlang der A6 und gegen eine Variante nördlich von Kornburg, welche dann weiter östlich die A6 quert und fortgeführt wird. Hier wären die Abstände zur Wohnbebauung jedoch deutlich größer gewesen.

Noch ist nichts final entschieden! Wir werden Sie und Ihre Anliegen auch zu diesem Thema weiterhin mutig und besonnen im Marktgemeinderat, sowie in der Bürgerinitiative mit Rudolf Göllner, vertreten und stets Sie in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und Entscheidungen setzen.

Bis bald & bleiben Sie gesund!

Jürgen Lechner & Rudolf Göllner

Von: Juergen Lechner (Fraktionssprecher & Marktgemeinderat Freie Wähler Wendelstein), Mittwoch, 19. Mai 2021 - Aktualisiert am Donnerstag, 20. Mai 2021
Weitere Informationen, Artikel und Termine von »Freie Wähler Wendelstein« finden Sie unter: www.meier-magazin.de/fw-wendelstein

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