Aufstand der Landwirte, Bauernproteste - was hat die Politik in Berlin mit den Erzeugern vor Ort zu tun?
Region - Täglich neue Nachrichten über Traktorenkorsos und Straßenblockaden, über verärgerte Bauern und aufgebrachte Bürger, die Menschen äußern lautstark ihre Meinung und man gewinnt den Eindruck, als ob hier eine Schmerzgrenze erreicht worden wäre. Ist das so? Wir haken nach.
Welche Auswirkungen haben die Entscheidungen aus Berlin nun wirklich auf unsere Region? Was trifft die Erzeuger hier vor Ort am meisten? Wo drückt der Schuh denn tatsächlich bei unseren heimischen Nahrungsmittelherstellern?
Die meier Redaktion spricht mit drei regionalen Bauern über die aktuelle Situation.
Manfred Winkler und seine Gustenfelder Kollegen aus der Landwirtschaft waren bei Protesten in Nürnberg und Roth dabei.
In einem YouTube-Video erklären sie, was ihnen aktuell wichtig ist. Im Obstbaubetrieb Winkler werden, wie der Name schon sagt, regionale Obstsorten wie Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Haselnüsse, Trauben und Erdbeeren angebaut. Es gibt einen Hofladen und eine Brennerei. (Wir berichteten im November über das innovative Wasserspeicherkonzept des Betriebes, www.meier-magazin.de/article/11445 ).
Manfred Winkler gibt den bundesweit fordernden Bauern recht. Er selbst, so räumt er ein, hat durch den Weg der Direktvermarktung über seinen Hofladen eine bessere Ausgangslage als die herkömmlichen Erzeuger, denn die können ihren Preis kaum selbst bestimmen. Sein oberstes Ziel ist es, gute Nahrungsmittel für die Region herzustellen. Für die Erzeugung sind in seinem Betrieb Maschinen notwendig und natürlich tut es weh, wenn die Subventionen für Agrardiesel und Kfz-Steuern fallen und außerdem die MwSt. angehoben und CO²-Steuer entrichtet werden muss. Dass sich das unweigerlich auf den Preis auswirkt, ist völlig schlüssig und da stünden die aktuellen politischen Entscheidungen im Widerspruch mit einer sinnvollen, gerechten Nahrungsmittelproduktion.
„Nahrungsmittel sollen für alle da sein und somit müssen auch vernünftige Preise an den Kisten im Hofladen und überall in den Geschäften stehen“.
Das ist in der Landwirtschaft nur mit Subventionen leistbar, weiß der Obstbauer aus Gustenfelden, denn sonst steigt der Preis, den der Erzeuger für seine gute Arbeit verlangen muss. Und am Ende sind qualitativ hochwertige Nahrungsmittel so teuer, dass sie sich nicht mehr jeder Bürger leisten kann. Und genau das ist der Punkt, dafür kämpfen Manfred Winkler und seine Kollegen. Es muss möglich sein, erschwingliche Nahrungsmittel für alle Bevölkerungsschichten, auch regional, herzustellen. Das stabilisiert den sozialen Frieden und fördert den Anbau vor Ort. Es geht um Ernährungssicherheit, denn wenn diese nicht mehr gegeben ist, werden die Menschen unzufrieden und gehen auf die Straße.
Widerspruch sieht Manfred Winkler auch darin, dass die Regionalpolitik sich sehr wohl mit Herzblut für einen florierenden regionalen Anbau starkmacht, für Nachhaltigkeit, für heimische Landwirtschaft und kurze Transportwege wirbt. Die Bundesregierung hingegen setzt seiner Meinung nach dieses „Pfund“ aufs Spiel, entzieht den regionalen Anbietern die Basis und spaltet die Gesellschaft. Denn aktuell ist unklar, wie lange sich sozial Schwache und Mittelschicht diese Spirale aus steigenden Preisen bedingt durch schwindende Subventionen und steigende Herstellungskosten überhaupt noch leisten können.
Auf unsere Frage, was Obstbauer Winkler sich denn von der Politik wünscht, kommt eine klare Aussage,
„Regionale Entscheidungen sollen wieder in der Kommune getroffen werden dürfen“.
Viel zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen in den einzelnen Regionen hinsichtlich Klima, Gelände oder Bevölkerungsdichte. Da könne man nichts über einen Kamm scheren. Aktuell bedroht beispielsweise eine Rabenplage seine Obstplantagen. Doch den Behörden vor Ort sind durch landesrechtliche Bestimmungen im Baurecht und Umweltrecht die Hände gebunden. Für sein „Rabenproblem“ gibt es aktuell keine praktikable Lösung, dabei müsse schnell gehandelt werden. „Das kann existenzbedrohend sein, wenn die Kommunen nicht aktiv werden dürfen.“ Ähnliche Beispiele finden wir beim Thema Wolf, Bär, Biber oder Otter u.v.m. EU-Recht oder Bundesrecht kann in vielen Fällen nicht die Lösung sein. Die Aufgaben sollten behördlich nach unten – also in die Kommunen delegiert werden dürfen.
Auch beim Betreiber des Holzhobelhofes stoßen die Bauernproteste auf volle Zustimmung.
Reiner Wiedmann und seine Frau Annette bewirtschaften den Hof und bieten ökologische, regional angebaute Produkte in Biolandqualität an. An den Protesten konnten sie nicht teilnehmen, denn sonst hätte die tägliche Arbeit liegen bleiben müssen. Neben dem Hofladen ist Annette Wiedmann ausgebildete Erlebnisbäuerin und zeigt Kindern, Schulklassen und interessierten Eltern, was es auf einem Erlebnisbauernhof alles zu entdecken gibt.
Die Streichungen in den Subventionen tun dem Betrieb weh. Rund auf die Hälfte seines Hühnerbestandes musste er schon verzichten, da die Kunden weniger Eier kaufen. Die Ursachen für die rückläufige Nachfrage kennt er nicht, aber er vermutet einen Grund in den vielen beängstigenden und verwirrenden Nachrichten der sozialen Medien. Die Menschen sparen, weil alles teurer wird, sie haben Angst, ihren Lebensunterhalt bald nicht mehr bestreiten zu können. Er weiß, dass es mit dieser Ausgangslage nahezu unmöglich ist, die gestiegene MwSt. oder die CO²-Steuer auf die Preise im Hofladen umzulegen. Viel zu groß ist die Angst, dass der Holzhobelhof dann gar nicht mehr mit seinen Preisen mithalten kann. Das möchte er seinen treuen Stammkunden nicht antun.
Dabei sind es gar nicht die Streichung der großen Subventionen wie Agrardiesel oder Kfz-Steuer, die ihm selbst Sorge bereiten, sondern es sind die vielen kleineren Beihilfen, die ebenfalls schwinden und die so wichtig für den Erhalt seines Unternehmens wären. „Agrardieselpreise sind für unseren kleinen Betrieb nicht so entscheidend, denn unsere Arbeit ist eher Handarbeit, für die wir wenig Maschinen einsetzen“.
Der Vollblut-Landwirt klingt frustriert.
Sein Fokus liegt im Anbau von ehrlich erzeugten, biologischen Lebensmitteln. Ihm geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um einen ökologisch sinnvollen Anbau und faire Preise. Und auch Reiner Wiedmann sieht eine große Diskrepanz zwischen den Ansätzen der Landespolitik, die sich 30 % Ökolandbau wünscht, und den Beschlüssen der Bundesregierung, die den kleinen Betrieben, die die Anforderungen schon erfüllen, die Existenzgrundlage dazu rauben. Gerade bei diesen kleinen Landwirtschaften wären Hilfen unerlässlich.
Für seinen Erlebnisbauernhof bekommt er noch Unterstützung vom Ministerium, aber auch in diesem Bereich gibt es für ihn keine Planungssicherheit. Viel zu wackelig sind die späten Entscheidungen der Politiker. Jahr für Jahr bangen um die Fortsetzung der notwendigen Unterstützungsleistung.
Was Reiner Wiedmann sich von der Politik wünscht, sind langfristige Konzepte und Aufklärungsarbeit.
Für ihn wäre viel geschehen, wenn bereits in den Schulen auf das wichtige Thema Nahrungsmittel und die Notwendigkeit von ökologischem Anbau eingegangen würde. Dann könnten die Menschen am Ende unterscheiden, was das „regional“ von Anbietern wie dem Holzhobelhof im Vergleich zum „regional“ auf den bunten Discounter-Verpackungen bedeutet. Sie würden reife leckere Lebensmittel den geschmacksarmen, aber optisch hübschen, der Norm entsprechenden Waren vorziehen. Und erst dann könnten die Konsumenten wirklich zwischen einem billigen und einem fairen Preis unterscheiden.
Für sinnvoll hält er auch, dass seitens der Politik mehr darauf geachtet wird, wo genau Subventionen ankommen sollen, damit die Höfe mit den kleinen Erträgen die Chance zum Überleben haben.
Künftig wird der Holzhobelhof wieder mehr Energie in die SoLaWi stecken. Das Konzept gibt es dort seit 2020 und es basiert auf Ernteteilung. Familien können beim Holzhobelhof ein Jahresabo abschließen und sich dafür regelmäßig saisonale Kisten in Biolandqualität mit Kartoffeln, Karotten, Lauch, Gurken, Paprika, Kürbis, Salat, Zwiebeln oder Kohl abholen, in denen das gesunde, biologisch angebaute Gemüse so aussehen darf, wie es eben von Natur aus gewachsen ist. Und vielleicht zieht dann auch wieder die Nachfrage der KundInnen nach Eiern an, wenn sie sehen, wie glücklich und frei die Hühner am Holzhobelhof leben dürfen und dass man auch den männlichen Küken dort eine Chance zum Leben gibt.
Auch in Oberreichenbach beim Bio-Obst und Spargelhof Bub sieht man aktuell mit Sorge auf das Überleben in der Landwirtschaft.
Günther Bub und seine Frau Diana bauen Spargel, Bio-Obst, Tabak, Getreide, Holunder und Nüsse an, sie halten Freiland-Hühner, Gänse und frei laufende Schweine. Die Produkte und Erzeugnisse bieten sie in ihrem Hofladen an.
Bei den Demonstrationen in Nürnberg und Roth haben sich Günther Bub und seine Familie abwechselnd beteiligt, um die Arbeit zu Hause nicht liegenzulassen. Denn auch sie möchten für den Erhalt der regionalen Landwirtschaft kämpfen. Seine Tochter Theresa, studierte Landwirtin, berichtet auf den Social-Media-Kanälen über die Teilnahme an den Demonstrationen.
Bedrückend ist das, was uns Bauer Bub im Interview schildert. Er erzählt von behördlich angeordneten Drohnenflügen, die mittlerweile unseren Bauernstand überwachen, ob wirklich die gemeldete Frucht auf den Äckern angebaut wird. Immer wieder einmal liefern die Drohnen Falschmeldungen und die Landwirte müssen dann umständlich nachweisen, dass es sich um Fehlinformationen handelt.
Nach EU-Verpflichtung angeordnet wurde auch, dass 4 % der Ackerfläche brachliegen müssen,
Bauer Bub darf also auf diesem Teil seiner landwirtschaftlichen Fläche nichts anbauen. Diese Bestimmung gab es in früheren Jahren schon einmal, sie wurde aber aufgrund der Coronakrise und des nachfolgenden Ukrainekrieges ausgesetzt, um die fehlenden Getreidelieferungen auszugleichen und die Nahrungsmittelsicherheit zu gewähren. Nun gibt es sie wieder, die Bestimmung, von der Günther Bub nicht viel hält. Er begründet seine Ansicht dazu mit dem Vergleich zu einem herkömmlichen Beet im Garten: „Wenn man da ein Jahr lang nichts macht, dann vermehrt sich das Unkraut rasend schnell und man bekommt es anschließend nur noch schwer aus dem Boden heraus“ – so ist es auch mit den brachliegenden Äckern. Nach der Zeit der Pflichtbrache ist es besonders mühsam, den Boden für die neue Frucht vom Unkraut freizuhalten. Günther Bub bewirtschaftet den Acker dann lieber mit einer Zwischenbegrünung, die er zwar nicht nutzen darf, sondern wieder in den Boden einarbeiten muss, die jedoch besser für den Bodenerhalt geeignet ist. Auch diese Bestimmung beschert den Bauern also zusätzliche Mühen.
Mühsam sind besonders all die Dokumentationen und Berichte, die gesetzlich von den Bauern und Bäuerinnen gefordert werden und die von Jahr zu Jahr mehr werden.
Unser Gesprächspartner schätzt, dass er mittlerweile die Hälfte seiner Arbeitszeit im Büro verbringt, um alle gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen. Wertvolle Zeit, die er eigentlich der Arbeit am Hof, seinen Tieren und Pflanzen widmen sollte. Denn da kennt er sich aus. Für Günther Bub liegt ein Problem darin, dass Regelungen und Verordnungen oft gar nicht das berücksichtigen, was die Menschen in der Landwirtschaft mit ihrer Erfahrungen und ihrem Wissensschatz zu leisten vermögen. Schon sein Vater hat viele Dinge gewusst, die auf natürlichem Wege helfen, einen guten Ackerboden zu bewahren und auch seine Generation und die seiner Kinder lernen durch Traditionen, Überlieferungen, Aus- und Fortbildung und durch ihre tägliche Arbeit am Hof meist mehr von der Natur, als gesetzliche Bestimmungen jemals regeln können. Sinnvolle Fruchtfolgen, Untersaaten, das Einarbeiten von Ernteresten, der Anbau von Zwischenfrüchten und regelmäßige Bodenproben, als das berücksichtigen Bauer Bub und seine Familie schon seit Generationen, um ihren guten Ackerboden, ihr wertvolles Gut zu bewahren und zu verbessern.
„Warum machen wir das überhaupt, wenn wir so vieles, das wir auf den staatlich geprüften, landwirtschaftlichen Schulen lernen, dann gar nicht anwenden dürfen?“,
fragt sich Günther Bub ernsthaft. Auch beim Thema Düngen. Hier wird vieles per Verordnung bestimmt und per umfangreichen Dokumentationen kontrolliert, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Bei einem vernünftigen Anbau macht ein „zu viel“ an Düngung keinen Sinn, denn einerseits sind die Preise für Düngemittel so immens gestiegen, dass kein wirtschaftlich denkender Landwirt zu viel davon verwenden wird. Außerdem tut es der Saat nicht gut, denn ein überdüngter Anbau liefert keine kräftigen, widerstandsfähigen Pflanzen.
Der Bio-Obst und Spargelhof Bub wird immer mehr zum Selbstversorgerhof in Bioqualität.
Das Futter für seine frei laufenden Tiere baut er nahezu vollständig selbst an. Da weiß er genau, was die Tiere bekommen und womit es ihnen gut geht. Die Familie Bub arbeitet stetig daran, das Tierwohl zu verbessern, gerade beim neuen Projekt, den Duroc Schweinen, die ebenfalls in Freilaufhaltung leben dürfen, sammeln sie täglich neue, wertvolle Erfahrungen.
Aufgeben möchte er – trotz aller Widrigkeiten – nicht. Viel zu sehr sind seine Familie und er mit Leib und Seele in der Landwirtschaft tätig. Auch seine drei Kinder haben Berufe in der Brache ergriffen, weil sie es aus eigener Motivation heraus so wollten. David lernt Landwirt und Jakob ist Landmaschinen Mechatroniker, die Tochter Theresa macht nach erfolgreich abgeschlossenem landwirtschaftlichem Studium den Hof, seine Produkte und überhaupt den Betrieb einer modernen Landwirtschaft in der Öffentlichkeit transparent. Über ihre ansprechenden Beiträge in den Social Media Kanälen, den Kontakt mit den Medien, als Botschafterin in Gestalt der Spargelkönigin oder als jüngstes Mitglied der Landfrauen – sie selbst bezeichnet sich in ihren Meldungen als „regionalverliebt“. Wer den Betrieb in Zukunft übernehmen wird, steht aber noch nicht fest.
Trotzdem, verrät Günther Bub uns, kann man eigentlich guten Gewissens keinem jungen Menschen mehr dazu raten, in die Landwirtschaft zu gehen.
Er habe Glück gehabt, dass alle in seiner Familie sich mit ganzem Herzen für ihren Einsatz auf dem Hof entschieden haben, das macht vieles einfacher, wenn man im verlässlichen Familienverbund agieren kann. Dennoch befürchtet Bauer Bub, dass nach und nach die regionalen Betriebe verschwinden werden, wenn sich in der Politik nichts ändert. Und auch er spricht die stetigen Teuerungen auf der einen Seiten und den Verfall der Getreidepreise andererseits an. Durch die immens gestiegenen Dieselpreise hat er alleine schon rund 6.000 € mehr Treibstoffkosten zu tragen, als noch in den Jahren zuvor. Nun kommen die gestrichenen Subventionen hinzu, die nochmal ein Loch von rund 2.000 € in das Hofbudget reißen.
Was er sich von der Politik wünscht, wäre ein klares Statement an die regionale Landwirtschaft,
ein Schritt hin zu den Erzeugern vor Ort. Die Menschen sollten hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte aus dem eigenen Land beziehen dürfen. Einen engen Radius um regional erzeugte Nahrungsmittel, die dann zu erschwinglichen Preisen den Menschen vor Ort zur Verfügung stehen. Den Verzicht auf Billigimporte und die Förderung der Produktion vor Ort, im Umkreis der Verbraucher. Damit wir alle wieder gute, heimische und nachhaltig erzeugte Produkte genießen können, die – ohne lange Lieferketten – aus einem Umkreis von maximal 80 km stammen.
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