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Beim Streik und bei den Schleckerfrauen

Nürnberg - Seit zehn Jahren ist Diakon Kurt Reinelt als Betriebsseelsorger im Bistum im Einsatz. Er versteht sich als „Geh hin-Seelsorger“ und dementsprechend voll ist sein Terminkalender. Diakon Kurt Reinelt besucht regelmäßig Betriebsräte, schaut in Firmen vorbei, trifft Kollegen, Gewerkschafter und ist auf Maikundgebungen ebenso mit dabei wie beim Streik vor dem Werkstor.

  • Diakon Kurt Reinelt

    Diakon Kurt Reinelt

Seit zehn Jahren ist der Nürnberger Theologe und Jurist für die Betriebsseelsorge zuständig und das mit Leib und Seele. „Ist es schon soweit, dass wir einen Seelsorger brauchen?“, hießt es manchmal bei seinen ersten Besuchen bei Siemens, Diehl-Aerospace oder in anderen Betrieben. Das ist mittlerweile anders. Reinelt ist bekannt, hat sich einen Namen gemacht, hat Netzwerke aufgebaut. Dabei sei gar nicht er der eigentliche Seelsorger sondern die Betriebsräte, erzählt er im Gespräch. Viele von ihnen hätten „eine seelsorgerische Ader“ und oft bestehe wenig Unterschied zwischen einem Betriebsratsbüro und einem Beichtzimmer.

Reinelt will Betriebsräte und Arbeiter unterstützen, will ihnen den Rücken stärken in der „Arbeitswelt, die sich immer mehr verschärft“. Um ein Bild der Lage vor Ort zu bekommen ist der Betriebsseelsorger, der selbst Gewerkschaftsmitglied ist, regelmäßig draußen, in den Betrieben.

Auf durchschnittlich 250 Termine im Jahr kommt er nach eigenen Angaben. Alleine im vergangenen Jahr nahm er an 58 Betriebsratssitzungen teil und listet in seiner Jahresstatistik über 200 Besuche in Betrieben sowie 74 Betriebsrätetreffen auf. Was er dort hört und spürt: Die Angst hat zugenommen. Arbeiter fürchten sich vor Zeitarbeitsverträgen, vor Auslagerungen, vor Stellenabbau.

Solidarität zeigen
In den Dekanaten Nürnberg-Süd und Roth-Schwabach, aber auch in Eichstätt war Reinelt schon oft im Einsatz, wenn es um Entlassungen oder Lohnkürzungen in Betrieben ging. 42 Tage lang streikten vor zwei Jahren Mitarbeiter der Deutschen Post im Verteilzentrum Nürnberg-Langwasser. Der Betriebsseelsorger war jeden Tag vor Ort, suchte das Gespräch mit den Betroffenen, die um ihre Jobs bangten. Beim ökumenischen Streikgottesdienst vor dem Werksgelände ging er auf Sonntagsschutz und Outsourcing ein, sprach offen von der Angst der Postarbeiter. Er habe den Streikenden zudem „Kraft, Mut, Ausdauer aber auch viele Gründe zum Lachen, Singen und Feiern“, gewünscht, erinnert sich Anton Hirtreiter von der Gewerkschaft verdi.

Als die Drogeriemarktkette Schlecker 2012 vor der Insolvenz stand, besuchte Reinelt die Mitarbeiterinnen in sieben Filialen. Er organisierte Kundgebungen zusammen mit der Katholischen Arbeitnehmerbewegung und verteilte Infoblätter an Kunden, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Beim drohenden Stellenabbau beim Lampenhersteller Osram in Eichstätt schaltete sich – auf indirekte Vermittlung Reinelts – Bischof Gregor Maria Hanke ein und forderte die Konzernleitung zum Umdenken auf. Betriebsratsvorsitzender Hubert Roßkopf lobt das kirchliche Engagement in Arbeitnehmerfragen.

Das bischöfliche Statement sei damals „sehr wichtig“ gewesen, auch für die „Moral der Truppe“. Und über die Arbeit des Betriebsseelsorgers spricht Roßkopf, der selbst als Kirchenpfleger in seiner Heimatpfarrei aktiv ist, in höchsten Tönen: „Der Kurt bringt viele Leute an einen Tisch.“ Einmal im Jahr lädt Reinelt beispielsweise Betriebsräte nach Eichstätt ein, zum Neujahrsempfang des Diözesanrats. Nach dem offiziellen Teil mit Bischof und weiteren Gästen, ziehen sich die Arbeitnehmervertreter dann ins Collegium Orientale zurück, um sich über aktuelle Entwicklungen in der Arbeitswelt auszutauschen. Die Kirche werde als soziales Gewissen bei den Betrieben wahrgenommen, berichtet Reinelt. Er brauche Gott nicht erst in die Fabrikhallen oder Werkstätten zu bringen, „der ist schon da“. Was er aber oft feststelle, sei eine „religiöse Sprachlosigkeit“ und er müsse die Menschen dran erinnern, dass Gott da ist. Für diese Aufgabe wünscht er sich mehr Kollegen, mehr „Geh hin-Seelsorger“, wie er in seinem jüngsten Arbeitsbericht schreibt. In seinem Wohnort in Moorenbrunn, ist Reinelt immer wieder im Siemens-Werk zu Besuch. Jeden Freitag trifft sich dort eine ökumenische Gebetsgruppe. Nach dem gemeinsamen Mittagessen in der Kantine werden in einem eigenen Raum Losungen gebetet. Dabei kommen auch betriebliche Belange zur Sprache, weiß Reinelt aus Erfahrung. Die christliche Soziallehre, Gerechtigkeit, Fairness, Nächstenliebe und auch Barmherzigkeit seien Themen, die in der Arbeitswelt eine Rolle spielen und noch stärker betont werden müssten. Dafür setzt sich der Betriebsseelsorger seit zehn Jahren ein, am Altar und am Werkstor.

Andrea Franzetti

Von: Andrea Franzetti, Mittwoch, 25. Oktober 2017 - Aktualisiert am Donnerstag, 26. Oktober 2017
Weitere Informationen, Artikel und Termine von »Katholische Betriebsseelsorge« finden Sie unter: www.meier-magazin.de/betriebsseelsorge
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