Der Fremdling im Garten
Region - Seit Rhabarber in Form von Saftschorle erhältlich ist feiert er in der Gastronomie seit Jahren einen Hype. Das Traditionsgemüse gilt als urdeutsches Gewächs, doch sein Ursprung liegt in Asien.
Das kann man fast wörtlich aus seinem lateinischen Namen herauslesen: Rheum rhabarberum bedeutet nämlich „Fremde Wurzel von der Wolga“. Es war im 18. Jahrhundert, als der Rhabarber seinen Weg von Russland nach Europa fand, doch tatsächlich stammt die barbarische Wurzel aus China. Ihre Spuren als Nutzpflanze lassen sich bis ins 3. Jahrtausend vor Christus zurück verfolgen, doch damals wurde sie als Heilpflanze eingesetzt: als Abführmittel, gegen Fieber und angeblich gar gegen die Pest. Man verwendete die Wurzeln, die Stängel dieser frühen Sorten dürften auch wenig schmackhaft gewesen sein. In Deutschland wurde Rhabarber erst Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals angebaut.
Botanisch gehört der Rhabarber zu den Knöterichgewächsen und bei seiner Seinswerdung aus einem Samenkorn durchläuft er in seinem frühen Leben die Phase einer Rübe, später wandelt er sich in eine Knolle und schließlich zu einer ganzen Kolonie aus Haupt- und Nebenknollen. Anders als die meisten Gemüsesorten, die nur eine Saison überdauern, ist Rhabarber äußerst langlebig.
„Wie beim Spargel kann man bis zu acht Jahre lang von einer Pflanze ernten, muss dann aber sieben Jahre Fruchtpause einlegen“ erklärt Birgit Kretschmann von Kretschmann Obst & Gemüse in Katzwang. Fruchtpause heißt, dass auf diesem Feld dann sieben Jahre lang kein Rhabarber mehr angebaut werden darf. „Zu Rhabarber gibt es viel Interessantes zu sagen“ findet Birgit Kretschmann. Zum Beispiel auch, dass er wie ein Gemüse angebaut und auch verzehrt wird – schließlich isst man die Sprossteile –, aber wie Obst verarbeitet wird: überwiegend süß, als Kompott oder Kuchen. In den USA gar gilt Rhabarber per Gesetz seit 1947 als Obst – warum auch immer. Doch der Verwendungszweck des Rhabarbers wandelt sich. Inzwischen gibt es auch viele herzhafte Rezepte wie etwa Nudeleintöpfe, Gemüseeintöpfe, Suppen oder gemischte Gemüsebeilagen mit Rhabarber.
Gesund oder schädlich?
Genauso wie die Frage, ob Rhabarber ein Obst oder ein Gemüse sei wird kontrovers diskutiert, ob er nun gesund oder giftig ist. Wie eigentlich immer, so darf man es auch beim Rhabarber mit Paracelus halten: Dosis sola facit venenum: nur die Dosis macht das Gift. Ja, Rhabarber enthält Oxalsäure – bis zu 460 Milligramm pro 100 Gramm – und ja, Oxalsäure kann in größeren Mengen Vergiftungserscheinungen verursachen. Allerdings können etwa 700 Milligramm Oxalsäure von einem gesunden Erwachsenen täglich bedenkenlos aufgenommen werden. Und ja, Oxalsäure bindet an Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen und Magnesium und geht mit ihnen Komplexe ein. Diese Komplexe sind kaum löslich, wodurch die Mineralstoffe nur noch eingeschränkt von der Darmschleimhaut aufgenommen werden. Die Gefahr: Bilden sich reichlich Kristalle aus körpereigenem Kalzium und Oxalsäure, dann können sie sich ablagern und zu Nieren- oder Blasensteinen führen. Umgekehrt heißt das aber auch, dass durch die Kombination mit Milchprodukten die Oxalsäure gebunden werden kann. Klar ist, dass das Kochwasser und die Blätter, die besonders viel Oxalsäure enthalten, nicht verzehrt werden sollten, generell haben grüne Sorten einen höheren Oxalgehalt als rote, roher Rhabarber einen höheren Gehalt als gekochter und Blätter und Schale einen höheren Gehalt als die Stange. Menschen mit Neigung zu Blasen- oder Nierensteinen sollten über die Verzehrsmenge von Rhabarber Rücksprache mit ihrem Arzt halten. Das gilt aber auch für Spinat, Mangold oder Rote Bete.
Ganz ohne Zweifel hat Rhabarber aber auch viel Gutes zu bieten: er enthält sehr wenig Kalorien – nur 14 Kilokalorien pro 100 Gramm. Dafür Mineralstoffe wie Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen und Phosphor. Des weiteren finden sich Vitamin K und Ballaststoffe, Fruchtsäuren wie Apfel- und Zitronensäure sowie der Verdauungsstoff Pektin.
Ran an den Rhabarber!
Wie Spargel auch ist Rhabarber ein saisonales Gemüse und maximal bis Ende Juni erhältlich – außer es findet sich irgendwo Herbstrhabarber. Traditionell gilt der Johannistag als Stichtag für die letzte Ernte, was Birgit Kretschmann jedoch nicht so kategorisch hält. „Wir beobachten die Pflanzen, werden die Stängel schon langsam dünner, dann ernten wir nicht mehr, aber wenn noch dicke Stängel vorhanden sind, dann ernten wir auch schon mal bis Ende Juni.“ Im Angebot ist bei ihr derzeit die Sorte „Holsteiner Blut“, ab Ende Mai dann auch der „Himberrhabarber“ – „die gängigsten Sorten hier in der Region.“ Rhabarbersorten unterscheiden sich durch die Färbung von Stängeln und Fruchtfleisch. Holsteiner Blut und Himberrhabarber haben beide rote Stängel, sprich rote Haut, und grünes Fruchtfleisch. Es gibt aber auch Sorten, die sowohl grüne Haut und grünes Fleisch sowie rote Stängel und rotes Fleisch haben.
Kontakt mit Metall vermeiden
Frischer Rhabarber ist kühl gelagert einige Tage haltbar. Dabei sollte er möglichst in ein feuchtes Tuch oder eine feuchte Zeitung gewickelt werden. Den Rhabarber nicht neben Ethylen abgebenden Früchten (Äpfel, Bananen, Mango, Tomaten, etc.) lagern, da er sonst schnell verdirbt. Ebenfalls sollte Rhabarber nicht mit Metall länger in Kontakt kommen. Das betrifft sowohl die Lagerung vor der Zubereitung, als auch danach: So sollte Rhabarber nur in Gläsern eingemacht werden, nicht in Dosen, auch Rhabarberkuchen sollte nicht in Alufolie oder Dosen verpackt werden. Der Grund: Die enthaltene Oxalsäure greift Metalle an und kann gesundheitsschädliche Substanzen aus ihnen lösen.
Einfrieren
Wer die Saison verlängern möchte, der kann Rhabarber natürlich auch einfrieren. Dafür die Stangen klein schneiden und je nach Sorte häuten oder auch nicht. Wer die Stücke erst auf einem Backblech auslegt und etwa zwei Stunden vorfriert, bevor er sie in Beutel verpackt, kann später wunderbar portionieren. Eingefroren hält der Rhabarber bis zu einem Jahr – so kann man sich wunderbar bis zur nächsten Saison über Wasser halten.
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