IBgW für mehr Bürgerbeteiligung in den Kommunen
Wendelstein - Wendelsteiner Bürger erwarten von dem im März 2020 neu gewählten Gemeinderat eine stärkere Öffnung der Kommunalpolitik für moderne Formen der Bürgerbeteiligung. Bürger müssten frühzeitig zu aktuellen Sachfragen gehört und an kommunalen Planungsprozessen von Anbeginn beteiligt werden. Das sieht die Initiative „Bürger gestalten Wendelstein“ (IBgW) als Ergebnis der jüngsten Veranstaltung mit zwei Mitgliedern des Landesvorstands von „Mehr Demokratie/Bayern“, Andrea Beck und Jörg Lipp.
„Viele Bürger wollen auch ohne Parteizugehörigkeit sowohl bei zentralen Zukunftsfragen als auch bei Vorhaben in ihrem direkten Wohnumfeld früher eingebunden werden und mit entscheiden können“, machte die IBgW-Sprecherin Kristin Seelmann deutlich.
Dabei sieht Lipp, seit fünf Jahren Sprecher des Landesvorstands von „Mehr Demokratie/Bayern“, verstärkte Bürgerbeteiligung und Formen der direkten Demokratie keineswegs als Schwächung der repräsentativen Demokratie oder gar als ein Konkurrenzprojekt zu Gemeinderäten oder Landes- oder Bundesparlamenten („Es geht nicht um ihre Abschaffung, es geht um ihre Stärkung“). Vor dem Hintergrund von Politikverdrossenheit und wachsendem Rechtspopulismus gelte es vielmehr, Demokratie wieder aktiv zu leben. „Wir haben uns lange über die Demokratie keine Sorgen gemacht. Das hat sich in den vergangenen drei Jahren geändert. Angesichts der wachsenden Ungleichverteilung seit der Finanzkrise im Jahr 2009 fühlen sich viele Menschen in unserem Land abgehängt“, stellte Lipp fest.
Wie die jüngsten Wahlergebnisse zeigten, hätten sich in Teilen der Bevölkerung Resignation, Angst und Abwehrhaltungen breit gemacht. Angst, Verbitterung, Aggression und die Rufe nach dem „starken Mann“ entstünden dann, „wenn Menschen das Gefühl haben, dass Ihnen die Dinge über den Kopf wachsen und sie selbst nicht mehr gestalten können“, machte Lipp deutlich. Daher sei es notwendig, Menschen die Chance zu geben, gemeinsam mitzugestalten. Dies biete die Chance für ein friedliches und zukunftsorientiertes Miteinander, ist Lipp überzeugt. Zu den Besuchern der IBgW-Veranstaltung gehörten auch die Wendelsteiner Bürgermeisterkandidaten von SPD und der Wählergruppe „Für unser Wendelstein“, Maximilian Lindner und Robert Sußner sowie die Bürgermeisterkandidatin der Grünen, Carolin Töllner.
Die Palette der Beteiligungsmöglichkeiten reicht nach Lipps Darstellung von projektbezogenen Bürgerforen, in denen Bürger mit fachlicher Betreuung, aber neutraler Moderation Lösungen etwa für örtliche Verkehrsprobleme erarbeiteten, bis zu Bürger- oder Volksentscheiden. Gerade in der Kommunalpolitik könnten solche Formen der direkten Demokratie langwierige politische Auseinandersetzungen beenden und die Akzeptanz von Beschlüssen erhöhen. Mit Bürgerentscheiden ließen sich aber auch Entscheidungen erzwingen, die das Parlament vielleicht lange vor sich hergeschoben hätten. Als Beispiel führte Lipp die Radentscheide in Berlin und Bamberg an, mit denen Zehntausende von Bürgern rasch konkrete Verbesserungen für den Radverkehr durchzusetzen versuchen.
Wie konstruktiv und ideenreich Bürger seien, wenn man sie nur rechtzeitig in Planungsprozesse einbeziehe, bewiesen Lipp und seine Vorstandskollegin Andrea Beck bei einem bei der Veranstaltung initiierten Kurz-Workshop. Sie ließen die knapp 30 Besucher der Veranstaltung in Kleingruppen Lösungsansätze für Wendelsteins Verkehrsprobleme erarbeiten. Binnen einer halben Stunde fanden sich ein halbes Dutzend Vorschläge an einer Pinnwand. Mit einem Bewertungsverfahren hatten sich die Besucher schließlich rasch auf ein bis zwei zentrale Vorschläge verständigt, die in dem Planspiel anschließend mit der Gemeinde zu verhandeln wären. IBgW-Vertreter überzeugte das Verfahren eines Minigutachtens. „Das Beispiel sollte Schule machen und in Wendelstein künftig bei Planungsverfahren verstärkt eingesetzt werden“, legte die parteiunabhängige Ortsinitiative den Bürgermeisterkandidaten das Beteiligungsprojekt ans Herz.
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