Ihre Farben haben eine brasilianische Seele – Ina Schilling
Region - Mittlerweile ist die erfahrene Malerin seit Jahrzehnten in Großschwarzenlohe zu Hause, doch das war nicht immer so. Nach einer soliden Ausbildung folgte Ina Schilling dem damaligen Trend, ins Ausland zu gehen, und nahm eine Stelle als deutsche Sekretärin bei der IHK in Brasilien an. Sie lernte die Sprache und folgte rasch wieder ihrer Berufung, dem Malen.
Fröhlich und lebenslustig klingt die 82-jährige Künstlerin, als sie über ihr bewegtes Leben spricht. Obwohl ihr das Malen schon von Großvaterseite her in die Wiege gelegt war, bestand der Papa auf einen anerkannten Berufsabschluss. Seine Tochter entsprach seinem Wunsch und machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann (damals gab es die weibliche Form davon noch gar nicht) bei einem namhaften Frankfurter Unternehmen. Nach erfolgreich absolvierter Ausbildung folgte sie dem Ruf der weiten Welt. „Ins Ausland zu gehen, das war damals sehr schick“, berichtet uns Ina Schilling. Sie bewarb sich auf eine Ausschreibung zur deutschen Sekretärin in São Paulo und erhielt die Zusage und einen 4-Jahres-Vertrag.
Ihren ersten Kontakt mit der Sprache hatte sie auf dem Schiff, das sie nach Südamerika brachte.
Immerhin dauerte 1962 die Überfahrt auf einem großen Schiff mit rund 1.000 Passagieren ganze 18 Tage. Mit ihr an Bord waren viele Brasilianer, die Deutschland kennengelernt hatten, dann aber aus Angst vor dem Einzug zum Militär wieder zurück ins Heimatland wollten.
Der neue Job machte ihr viel Spaß. Das war die große weite Welt und als Sekretärin kam sie in Kontakt mit vielen Größen wie Heuss oder Kissinger. Sie arbeitete sich bis zur Chefsekretärin nach oben und schwärmt auch heute noch von dieser spannenden Phase ihres Lebens.
Schon nach kurzer Zeit lerne Ina Schilling ihren ersten Mann kennen. Einen Deutschen, der sich ebenfalls beruflich nach Brasilien orientierte. Er unterstütze sie sehr darin, weiterhin künstlerisch aktiv zu sein.
Den damals in Deutschland herrschenden Italien-Trend mit Landschaftsaquarellen kannte man in Brasilien nicht. Die Szene in Brasilien war Deutschland künstlerisch weit voraus. Modern, großzügig, mit enormer Farbenpracht. Ina Schilling warf die Pastellkreiden in die Ecke und folgte begeistert den angesagten Darstellungsformen. „Aquarelle wären schon allein aufgrund der Witterung gar nicht möglich gewesen. Die Sonne hätte alles viel zu schnell verblassen lassen. In Brasilien malte man mit Öl. Es gab keine Jahreszeiten, also auch keine trüben Herbst- und Wintertage. Sondern nur Sonne und leuchtende Farben.“
Prägend für die Künstlerszene in Brasilien waren auch die vielen Kulturen, die sich dort etablierten. Einflüsse aus der ganzen Welt machten sich im Künstlerischen bemerkbar. Ina Schilling erinnert sich an eine ihrer Geburtstagsfeiern, auf der Gäste aus 27 Nationen vertreten waren.
Ihre beiden Kinder wurden in Brasilien geboren.
Ina Schilling genoss die Familie, das Leben in Brasilien und natürlich die Kunst, die sie all die Jahre intensiv ausleben konnte. Doch dann zerplatze der Traum. Ihr Mann verunglückte tödlich und nach mehreren Schicksalsschlägen entschloss sich die Künstlerin, nach 24 langen Jahren, Brasilien als Lebensmittelpunkt den Rücken zu kehren und zurück nach Deutschland zu ziehen. Ihre beiden Kinder begleiteten sie und sie baute sich hier ein neues Leben auf.
Um zu lernen, was sich zwischenzeitlich in der Kunstszene in Deutschland getan hatte, geht sie an die Akademie für bildende Künste in Nürnberg und ist dort 5 Jahre lang aktiv. Außerdem schließt sie sich dem Kunstverein Spectrum an.
Seit 1986 lebt sie in Großschwarzenlohe. Sie ist wieder verheiratet und ist nach wie vor als Künstlerin aktiv. Vermutlich mehr denn je. Ihr Haus gleicht einer Galerie. Überall hängen ihre Werke, und was sich nicht mehr an den Wänden unterbringen ließ, lehnt und stapelt sich am Boden. Menschen, die ihre Bilder sehen und kaufen möchten, kommen zu Ina Schilling nach Hause.
Sie selbst bezeichnet sich als „mathematischen Menschen“, sie liebt geometrische Figuren.
„Natürlich muss man als Künstler mit der Zeit gehen, malen, was die Mode vorgibt, sonst ist man nicht angesagt. Aber man sollte auch seiner eigenen Prägung folgen“, verrät uns Ina Schilling, die in der Kindheit als Linkshänderin umerzogen wurde. Aus der „Blümchenmalerei“ ist sie längst heraus.
Im Schwerpunkt malt die politisch engagierte Künstlerin Frauen und auch heute nutzt sie alle Techniken, bis auf Aquarell. Acrylfarben lehnt sie aus Nachhaltigkeitsgründen weitgehend ab und ihre Ölfarben sind auf Wasser basierend.
Meist sind es hochformatige Motive, die es ihr angetan haben. Doch dazwischen fertigt sie Miniaturserien ihrer Frauenporträts. Ina Schilling gibt bei sich zu Hause Seminarwochenenden im Tuschezeichnen und war lange auch unterrichtend tätig.
Beim „Offenen Atelier“ ist sie von Anfang an jedes Jahr dabei,
auch in diesem Mai erlebte sie viel Zuspruch für ihre Werke und ist mit der Resonanz zufrieden. Verkauft hat sie an den beiden Tagen zwar kaum etwas, aber ihr ist bewusst, dass ein Kaufentschluss bei den meisten Interessenten einfach länger dauert und die Kunden mehrmals kommen, bis sie sich für ein Bild entscheiden.
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