Offenes Atelier 2023 – der Landkreis von seiner künstlerischen Seite
Region - Am vorletzten Maiwochenende ließen sich zum „Offenen Atelier“ ansässige Künstler und Künstlerinnen über die Schulter schauen und gewährten zauberhafte Einblicke in ihre Ateliers, Werkstätten, Wohnhäuser und verwunschenen Gärten.
Von Abenberg bis Wendelstein, von Büchenbach bis Thalmässing – der Landkreis Roth steckt voller schöner Überraschungen, auch was das Thema Kunst angeht. Hinter so mancher Haustüre wohnt hier ein Künstler oder eine Künstlerin, der/die sich dort ein eigenes, wunderbares Reich erschaffen hat. Sie leben da, wo ihre Kunst entsteht, sind im Landkreis zu Hause und bereichern die Region mit ihrem Schaffen, mit bunten Farben, Formen und kreativen Kompositionen.
48 Künstler und Künstlerinnen haben am 20./21. Mai Einblicke in ihre erstaunlichen Werke und ihr persönliches Umfeld gewährt und die meier Redaktion hat sich am Sonntag auf eine etwa 50 km lange Ateliertour mit dem Rad begeben.
Los ging es in Georgensgmünd:
Erstes Ziel – das Atelier am Birkenwäldchen
Ganz leise stellen wir das Fahrrad ab, etwas ehrfürchtig. Denn schon der Eingangsbereich zieht uns in den Bann. Abstrakte, großflächige Gemälde auf Staffeleien oder am Boden, zwischen üppigen Farnen und Bambus, leuchten uns entgegen, dazwischen ein lustiges Bärenportrait, ein plätschernder Wasserlauf und das angenehme Geläut von Klangstäben – kein Mensch in Sicht. Wir treten ein in eine andere Welt. Langsam laufen wir um das Haus herum. Der Pfad wird flankiert von weiteren farbenprächtigen Kunstwerken, die uns den Weg weisen. Hinten im herrlichen Garten ist die Gastgeberin mit zwei Besuchern im Gespräch. Sie begrüßt uns mit ansteckender Herzlichkeit und lädt uns ein, näherzukommen und uns umzusehen. Dabei erzählt sie, dass sie schon immer gerne malte. Angefangen in der Kindheit mit dem Papa und traditioneller Bauernmalerei. Doch zwischenzeitlich hat Susanne Staubitzer längst ihren eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt. Meist abstrakt, mit ausdrucksstarken Farbkompositionen in großen Formaten. Sie experimentiert mit Acrylfarben in kräftigen Tönen. Ihre größte Freude wäre es, verrät sie uns, einen Betrachter zu hören, wenn er bemerkt „das muss doch ein Staubitzer sein.“
Dann wieder aufs Rad, zu nächsten Etappe. Es geht den Hang hinunter am Dorfplatz vorbei, auf dem das Wasserradfest gefeiert wird, hinüber nach Petersgmünd:
Schon von Weitem fallen die rosafarbenen Plakate von Gregor EsKa ins Auge
Wir betreten den Hof und damit wieder eine neue, eigene Künstlerwelt, das Künstler:innenhaus. Drinnen betrachten wir lange die größtenteils querformatigen Kunstwerke in Öl-Pastell und Acryl, auf Holz, zum Teil mit Blattgoldakzenten. Sie zeigen hauptsächlich fröhliche Fahrzeuge, gezeichnet wie von Kinderhand. Der Fahrersitz, ein blauer Plastikstuhl, ein dreirädriges, vergissmeinnichtblaues Gefährt auf Stelzenrädern, oder ein riesiger Brief als Ladung eines Postautos.
Die Post „Ich liebe dich, steht auf dem Papier. Ich falte meinen Brief an Dich und klebe ihn zu. Er passt gerade noch ins Auto.“
Charmant, sympathisch und liebenswert. Draußen im Hof wartet ein Brunnenstein mit Erfrischungsgetränken, leise Pan Tam-Klänge im Sonnenschein und ein überdimensionaler Pappaufsteller, wieder mit einem Kinderautomotiv. Und ganz hinten dann der Künstler vor einem meterhohen Liebesbrief. Wir fragen den gebürtigen Kärntner, was es mit den Kinderfahrzeugen auf sich hat? Gregor EsKa antwortet uns, dass er beim Einzug ins neue Zuhause auf dem Dachboden ein Kinderschulbuch fand, in welchem solche Fahrzeuge zu sehen waren. Das nahm er als gutes Omen für den Start in seinem neuen Umfeld und ließ sich von den kindlichen Zeichnungen inspirieren. Unsere Frage, ob die Gefährte ihn auch künftig weiter begleiten werden, verneint er. Die Fahrzeuge sind nun passé, in Zukunft wird er sich auf menschliche Körper konzentrieren, wie schon auf seinem Willkommensplakat zu finden.
Und wieder geht es weiter:
Unser nächstes Etappenziel ist Afrika – genauer gesagt die Galerie von Fritz Meyer in Wernsbach
Fritz Meyer hat Afrika in den Landkreis geholt. Seine Leidenschaft zu Süd- und Ostafrika entdeckte der Diplom-Sozialpädagoge während seiner Tätigkeit als Reiseveranstalter. Er spezialisierte sich auf diese Region und kam in Kontakt mit afrikanischen Steinbildhauern aus Zimbabwe. Die künstlerischen Exponate schaffte er anfangs nur zu Dekozwecken für sein Reisebüro an. Doch das zog im Laufe der Jahre größere Kreise.
Heute gibt es das Reisebüro schon längst nicht mehr, aber man kann in Wernsbach Bildhauer-Workshops besuchen, sich in den Ausstellungsräumen inspirieren lassen, afrikanische Kunst erwerben oder im Skulpturengarten spazieren gehen. Die Workshops werden von afrikanischen Künstlern geleitet, die direkt aus Zimbabwe stammen und einige Monate lang in Wernsbach leben. Aktuell ist Edmore Sango vor Ort. Er arbeitet überwiegend abstrakt, ist aber auch ein Meister gegenständlicher Skulpturen.
Dann wieder weiter mit dem Rad zum nächsten Künstlerabenteuer. Der Weg führt uns nach Obermauk:
„Die Künstlerin ist gerade im Keller“, hören wir bei unserer Ankunft
Also steigen wir die steile Treppe des Einfamilienhauses hinab. Schon auf halbem Weg, vorbei an einem bunten Korb selbstgestrickter Strümpfe, empfängt uns Gerda Meyer und übernimmt die Führung. Verblüfft bleiben wir im Keller stehen. Da gibt es keine Kartons, Regale oder alter Ordner, sondern nur Bilder, Bilder und nochmals Bilder. In jedem Raum. „Begonnen hat es mit einem Wasserschaden“, erklärt uns die Künstlerin. Alles musste ausgeräumt werden und übrig blieben Reste von Wandfarben aus früheren Renovierungsaktionen. Die waren Frau Meyer zu schade zum Wegwerfen. Also hat sie sich Leinwände besorgt und einfach drauflos gemalt. Im Freundes- und Bekanntenkreis wurde ihr Talent zugesprochen und so war die Seniorin motiviert, an der Sache dranzubleiben. Das ist noch heute so. Sie probiert sich an jedem Motiv aus, egal ob Tiere, Blumen oder abstrakte Motive und experimentiert auch mit haushaltsüblichen Dingen wie beispielsweise Backpulver.
„Ich leide unter chronischen Schmerzen“, verrät uns Gerda Meyer, „aber wenn ich male, dann vergesse ich alles um mich herum, auch die ganzen Schmerzen. Für mich ist Malen Freude und Therapie in gleichem Maße“. Und weil Frau Meyer alleine lebt, ist ihr ganzes Haus vom Keller bis zum Dachboden über und über dekoriert mit ihren vielen Bildern. „Die dürfen auch nach der Veranstaltung alle dort stehen bleiben“.
Weiter geht es, die Zeit rast wie im Flug und wir steuern mit dem Rad unser nächstes Ziel in Bernlohe an:
Dort in der Dalienstraße treffen wir auf Aktmalerei
In einem verwilderten Garten bewundern wir faszinierende Bilder. Eine schlafende Schönheit, ein Mädchen mit Geige, Liebespaare, ein Wesen halb Wolf, halb Mensch und viele andere, ausdrucksstarke Motive mehr. Unser Rad parken wir vor einem Motiv, mindestens 2 x 2 Meter groß. Es stellt einen Baum dar, der ausschließlich aus Aktfiguren besteht. Ein Bild, das den Namen „Wir“ trägt und mit dem Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten im Jahr 2019 ausgezeichnet wurde.
Im ersten Obergeschoss treffen wir dann auf die Künstlerin Susanne Heinrich. Sie verabschiedet gerade zwei Gäste. In ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung können wir weitere beeindruckende Kunstwerke bewundern. Mitten im Raum stehen zwei großformatige Motive auf Staffeleien. Das ist ihr neuestes Projekt. Eine Hommage an berühmte Maler, die sich ebenfalls dem Aktzeichnen verschrieben hatten und denen Susanne Heinrich als Künstlerin sehr zugetan ist. Fertig sind bereits Motive, die sie mit Egon Schiele und Lucian Freud verbinden. In faszinierender Detailarbeit hat die Künstlerin kleine Eigenheiten der Künstler hineingearbeitet und auch sich selbst im Bild dargestellt. Weitere vier Motive sind noch in dieser Reihe geplant.
Anschließend bringen uns die Räder nach Obersteinbach:
Im Atelier für Form und Farbe tanken wir sprichwörtlich auf.
Wieder betreten wir eine neue Gartenoase und werden von Künstlerin Angelika Neff-Lehmann und ihrem Mann aufs Herzlichste begrüßt. Die Künstlerin begleitet uns in ihr Atelier und zeigt ihre Werke. Ansprechend bunte Porträts, Engelsbilder, Skulpturen und Plastiken. In ihrem Schaffen geht Angelika Neff-Lehmann auf. Sie hat viel mehr Zeit als früher, sich der Kunst zu widmen: „Meine Passion zu malen und zu gestalten ist seit Jahren mein Lebensinhalt.“
Gemeinsam betrachten wir Porträts von pflegenden Menschen, ein gefördertes Projekt, das in der Coronazeit entstanden ist. Dann wenden wir uns den Plastiken zu. Filigrane Figuren, die schweben, tanzen, fliegen oder fahren. Sie sind in einer besonderen Mix-Technik entstanden, eine Eigenkreation von Angelika Neff-Lehmann. Schicht für Schicht, aufwendige Trocknungszeiten und als Finish einen Gold-Bronze-Ton.
Dann noch eine Runde im lichten Garten, in dem ebenfalls Skulpturen und Plastiken in der Abendsonne gut zur Geltung kommen. Während Frau Neff-Lehmann sich um neue Besucher kümmert, unterhalten wir uns mit ihrem Mann. Heinz-Peter Lehmann unterstützt seine Frau nach besten Kräften in ihrem Wirken. Auch er ist der Kunst zugetan und steht dem Kunstverein Spectrum (» zur meier Landingpage ) als erster Vorsitzender zur Verfügung.
Wir brechen auf zu unserer letzten Etappe, nach Eckersmühlen:
Dort wird schon fleißig aufgeräumt, das Wochenende des Offenen Ateliers neigt sich dem Ende.
Roswitha Madlon Hölle und ihr Mann beginnen gerade, die nächste Ausstellung vorzubereiten. Trotzdem nehmen sie sich viel Zeit für den letzten Rundgang des Tages mit uns im wunderschönen Garten. Die Künstlerin hat sich dem Material Ton verschrieben. Ausdrucksstarke Köpfe und Skulpturen kann man beim Spaziergang durch den Garten entdecken. Die Künstlerin spricht begeistert über unterschiedliche Gruben und Öfen, die sie zur Herstellung ihrer Objekte nutzt. Im Laufe der Jahre hat sie mit den vielen verschiedenen Brenn-Techniken umfassende Erfahrung sammeln können. Ihr Mann steht ihr mit technischem Verstand und handwerklichem Geschick zur Seite.
Im hinteren Teil des Gartens gelangen wir in den Ausstellungsraum. Dort kann man filigrane Tassen und zarte Schälchen bewundern, die nach japanischem Vorbild gefertigt wurden. Die Künstlerin sprich über asiatische Keramikkunst und uns wird bewusst, wie umfangreich ihr Wissen bezüglich Gestaltung und Techniken ist.
Nach einem kleinen Pläuschchen auf der Veranda, verabschieden wir uns von dem liebenswürdigen Ehepaar und schließen wir den Tag gedanklich ab.
Unser Fazit:
Umwerfend, welche Fülle an Kreativität der Landkreis verborgen hält. Auch wenn wir nur 7 der 48 Ziele besuchen konnten, es hat sich gelohnt. Wir durften an diesem Sonntagnachmittag ein Feuerwerk an Farben, Formen und Schaffenskraft kennenlernen und viele interessante Gespräche mit inspirierenden Persönlichkeiten führen. Ganz offen haben die Künstler über ihre Ziele, Wünsche und Motivationen gesprochen und uns einen Einblick in bisher verborgene Welten geschenkt.
Unabhängig von der „großen Atelier-Tour“ waren wir auch noch bei der Ausstellung von der Schreinerei Eder in Wendelstein – auch das war ein wirklich beeindruckendes Erlebnis …
Seit mehr als 30 Jahren fertigt Schreinermeister Christoph Eder (Senior) faszinierende Kunstobjekte. Dazu gehören unter anderem Windspiele, ein Wasserspiel, jede Menge Glasinstallationen sowie eine Reihe von spektakulären Kugelbahnen.
» Hier finden Sie unsere Fotos und Videos von der Ausstellung
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