Über alle Grenzen
Region - Das kennen wir alle: Passiert man das Ortsschild einer Stadt oder Gemeinde, findet man Hinweise auf die Partnerstädte. Aber was hat es eigentlich damit auf sich? Was steht dahinter? Und wie kam es dazu? Soviel sei vorab verraten: es ist spannender als man denkt. Deswegen widmet das meier Magazin den Städtepartnerschaften der Region eine neue Serie.
Böse Zungen behaupten: Städtepartnerschaften gibt es nur, damit die Bürgermeister und ihr Anhang regelmäßig „Dienstreisen“ unternehmen können. Dass dem nicht so ist, zeigen schon alleine die Geschichten, wie Städtepartnerschaften zustande kommen. Die Beispiele aus unserer Region zeigen: Es handelt sich keineswegs um „Kopfgeburten“, sondern in vielen Fällen um Partnerschaften aus der Bürgerschaft heraus.
Ein schönes Beispiel ist hierfür Büchenbach. Die Partnerschaft mit der ungarischen Stadt Németkér besteht seit 1989 und entstand aus dem Umstand heraus, dass viele Siedlungen in Büchenbach von ungarischen Gastarbeitern erbaut wurden. Es entwickelten sich Freundschaften, dies führte zu gegenseitigen Besuchen – und schließlich wurde der Partnerschaftsverein gegründet. Im Oktober 2019 konnte man 30-Jähriges Jubiläum feiern – natürlich mit großem Festabend und unter anderem einem Besuch in der Brauerei in Spalt.
Ähnlich spannend ist die Geschichte der Partnerschaft zwischen Kammerstein und Petrovac-Drinic (Bosnien-Herzegowina). Der damalige Bürgermeister der bosnischen Verbandsgemeinde suchte gezielt einen Partner für das Thema Energiegewinnung und Energieersparnis. Bei seiner Recherche stieß er auf die Gemeinde Kammerstein, die seit 2011 wiederholt den „European Energy Award“ erhielt und als Europäische Energie- und Klimaschutzgemeinde ausgezeichnet wurde. Hieruas entstand die Städtepartnerschaft, die längst über den fachlichen Austausch hinaus geht. „Die Zusammenarbeit hat sich inzwischen natürlich auf viele Ebenen ausgeweitet“, erklärt Alenka Fruntzek, die von Seiten der Gemeinde für die Städtepartnerschaft verantwortlich zeichnet.
Wendelstein ist trikommunal
Eine echte Besonderheit stellt die Städtepartnerschaft des Marktes Wendelstein dar. Hier wurde ganz gezielt eine „trikommunale Partnerschaft“ zwischen Deutschland – vertreten durch den Regionalbezirk Mittelfranken – Saint Junien in Frankreich und Żukowo in Polen eingerichtet. Die Partnerschaft wurde von Altbürgermeister Wolfgang Kelsch initiiert. In Danzig geboren, hat Wolfgang Kelsch die Kriegsmassaker der Deutschen im Zweiten Weltkrieg hautnah miterlebt. Daraus entstand sein Anliegen, Menschen aus Polen, Frankreich und Deutschland zusammen zu bringen, um entgegen aller aus dem Zweiten Weltkrieg resultierenden Ressentiments eine Völkerverständigung zu ermöglichen.
Dass dieses Ansinnen erfolgreich war zeigt der Umstand, dass man sich schon jetzt auf das 20-Jährige Jubiläum im Jahr 2021 vorbereitet. Und um an dieser Stelle auf das alte Vorurteil der „Kopfgeburt“ oder „Ausflugsidee“ zurück zu kommen: Doris Neugebauer, Beauftragte für die trikommunale Partnerschaft, betont: „Die Partnerschaft lebt von der Bürgerschaft“. Sie findet, dass es gerade im Hinblick auf Europa wichtig ist, die Menschen in Kontakt zu bringen. Hierfür hat die Gemeinde die Möglichkeiten geschaffen – und die Bürger haben diese angenommen. Die Veranstaltungen in der Marktgemeinde sind vielfältig: ein ganz wichtiger Bestandteil sind die Fahrradtouren, denn diese ermöglichen, Land und Leute sehr intensiv und ganz entschleunigt kennen zu lernen. 2019 fand außerdem das erste trikommunale Jungendcamp statt – mit über 50 Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren, die sich für Sport, Musik, Tanz und politische Bildung begeistern ließen. Doris Neugebauer schwärmt heute noch davon: "Zu sehen, mit wie viel Engagment die Jungendlichen ganz alleine das Programm für die Abschiedsveranstaltung entwickelt und einstudiert haben, das war wirklich etwas Besonderes." Nächstes Projekt sind die alljährlichen Weihnachtsmärkte mit Ständen in allen drei Gemeinden. Am 7. und 8. Dezember 2019 können in Wendelstein Produkte aus dem polnischen Żukowo und dem französischen Saint Junien erworben werden.
Frankreich geht auf Deutschland zu
Anders als in Wendelstein geht in Allersberg die Städtepartnerschaft mit Saint Céré auf das Engagement eines Franzosen zurück. Es war Abbé Paul Gibrats Anliegen, eine Gruppe Jugendlicher für das Nachbarland zu begeistern. Er selbst hatte die Gräuel der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs erlebt und wollte den jungen Menschen zeigen, dass es in Deutschland dennoch viele Freunde und gute Menschen gibt. „Dies ist mit unserer Partnerschaft sehr gut gelungen und wir verfolgen diesen Weg mit großem Enthusiasmus“, erklärt Markus Zurwesten, Verantwortlicher für die Städtepartnerschaft im Markt Allersberg. Allersberg blickt auf eine sehr lange Freundschaft zurück. Die offizielle Städtepartnerschaft besteht nunmehr seit 1985, obgleich die freundschaftlichen Beziehungen bis ins Jahr 1970 zurückreichen“, erklärt Zurwesten. Dies ist auch der Grund, dass im nächsten Jahr in Allersberg und in Saint Céré das 50-jährige Jubiläum der erstmaligen Reise einer Gruppe französischer Jugendlicher nach Allersberg groß gefeiert wird.
Dazu finden jährliche Begegnungsreisen im Wechsel statt. 2019 reiste die Gruppe aus Allersberg in die Partnerstadt. In 2018 war die Gruppe aus Saint Céré zu Gast. Dieser Turnus wurde in den letzten 50 Jahren immer beibehalten und es hat sich vor allem die Unterbringung in Gastfamilien sehr bewährt, denn hierbei werden die Beziehungen zwischen den Bürgern gefestigt und vertieft. Zurwesten weiß: "Es sind langjährige Freundschaften entstanden."
Es lebe der Sport
Ein schönes Beispiel, wie man über den Sport zueinander finden kann, liefert die Gemeinde Schwanstetten. Der damalige Jungendtrainer Alain Cuquemel aus La Haye Du Puys organisierte 1982 die ersten Fußball-Jugendturniere zwischen den beiden Gemeinden, es folgten andere Gruppen und gegenseitige Besuche und dann dauerte es nicht mehr lange, bis Vertreter beider Gemeinden fanden, es solle eine offizielle Partnerschaft angestrebt werden. Dies wurde mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde am 25. Februar 1988 in La Haye du Puis besiegelt. Heute unterstützt man sich unter anderem mit gemeinsamen Feuerwehrübungen, feiert zusammen Walpurgisnacht und organisiert Stände auf den jeweiligen Weihnachtsmärkten. Der diesjährige Thomasmarkt in Schwanstetten findet am 7. und 8. Dezember 2019 statt – die nächste Gelegenheit also, Freunde aus La Haye du Puis kennen zu lernen.
Besuch aus Atlanta in Kornburg
Kornburg, zum Großraum Nürnberg zugehörig, pflegt keine eigene Städtepartnerschaft, aber eine besondere Verbindung gibt es trotzdem. Denn durch die Partnerschaft Nürnbergs zu Atlanta hat sich zwischen der Martin-Luther-King-Schule und der Geburtsstadt des Namenspatrons eine besondere Beziehung entwickelt: „Die Martin-Luther King-Schule erhält alle drei bis vier Jahre Besuch von einem Vertreter aus Atlanta, der den Schülerinnen und Schüler das Leben und Wirken des US-amerikanischen Bürgerrechtlers nahe bringt“, erklärt der Nürnberger Stadtrat Harald Dix.
Apropos Nürnberg: Die zweitgrößte Stadt Bayerns pflegt stolze 14 Städtepartnerschaften. Viele davon entstanden direkt nach dem Zweiten Weltkrieg – es war den Stadtvätern ein Anliegen, nach dem Ende des Naziterrors Brücken zu ehemaligen Kriegsgegnern zu bauen. Ein eigenes Amt, das Amt für Internationale Beziehungen, kümmert sich um die Pflege dieser Partnerschaften. Die Zielsetzung ist es, einen Beitrag zu Annäherung, Verständigung und Frieden sowie zum Abbau von Vorurteilen und Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit zu leisten. Auf gegenseitige Besuche ist das bei weitem nicht reduziert: auch beruflich-fachliche Kooperationsprojekte und Austauschprogramme sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit – neben humanitärer Hilfe in Notlagen – zählen zu den Zielen und Inhalten der interkommunalen Partnerschaftsarbeit. Und zwar über die Grenzen Europas hinaus.
Alljährlich widmet sich der Markt der Partnerstädte auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt diesen Freundschaften. Dort kann man einen ersten Eindruck gewinnen – und viele Produkte, Leckereien und natürlich auch Menschen aus den Partnerstädten kennen lernen.
Wir sind sehr positiv überrascht, wie viel persönliches Engagement hinter den Städtepartnerschaften steht und hoffen, auch Sie für dieses wichtige Thema begeistern zu können. Freuen Sie sich mit uns auf viele weitere interessante Beiträge zu unserer neuen Serie »Städtepartnerschaften«.
Weitere Seiten zum Thema: