Vor Bonifaz kein Sommer
Region - Wer war nochmal Bonifaz? Der Name ist nicht jedem geläufig, aber seine Begleiter kennen wir alle: die Eisheiligen.
Dieses Wetterphänomen sucht alle Jahre wieder im Mai Gärtner und Landwirte heim. Ein Kälteeinbruch, der sogar noch zu Nachtfrösten führen kann und junge Pflanzen und Blüten bedroht. Deswegen gilt die eherne Regel: gepflanzt wird erst nach den Eisheiligen.
Obwohl diese – je nach Region unterschiedlich drei bis fünf von ihnen – kalendarisch zwischen dem 11. und dem 15. Mai „gefeiert“ werden, wird der Kälteeinbruch erst etwa zehn Tage später erwartet. Das liegt an der Umstellung des Kalenders vom julianischen auf den gregorianischen. Das Wetter hält sich allerdings ohnehin selten an diese Vorgabe. Dass der Kälteeinbruch 2020 mit den tatsächlichen Namenstagen der Heiligen zusammen fiel, ist also einem verfrühten Eintreten des Phänomens zuzuschreiben.
Fakt oder Legende?
Während der Volksmund die Eisheiligen als gesetzt sieht, streitet sich die Wissenschaft, ob das Wetterphänomen wirklich jedes Jahr auftritt. So sehen einige Quellen den alljährlichen Kälteeinbruch im Mai als wissenschaftlich belegt, aber Langzeitmessungen aus der Schweiz bestätigen diese Meinung nicht. Dass es zu stark lokalen Unterschieden in Auftreten und Ausprägung kommt tut sicherlich ein Übriges.
Birgit Kretschmann von Kretschmann Obst b& Gemüse in Katzwang weiß aus eigener Erfahrung: „An die Eisheiligen muss grundsätzlich immer Gedacht werden.“ So werden zum Beispiel auf dem elterlichen Hof im Knoblauchsland Tomaten, Bohnen und Gurken, die ins Freiland gepflanzt werden, immer erst nach den Eisheiligen ins Freie gesetzt. Andere Kulturen wie Salate, Radieschen, Kohl oder Lauch können bereits vorher gepflanzt und gesät werden. „Natürlich müssen die Temperaturen immer im Auge behalten werden. Gegen die Kälte hilft dann oft nur ein Abdecken oder eine Frostberegnung“, so Kretschmann. In ihrer Region sind die Eisheiligen dieses Jahr milder ausgefallen als erwartet. „Dennoch sind wir in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag aufgestanden und haben unsere Zucchini abgedeckt“, erklärt Kretschmann. Zumindest im Raum Nürnberg ist 2020 die Gefahr vorüber gezogen: „Dieses Jahr gab es im Gemüsebau wenig Kälteschäden.“
Wie entsteht das Wetterphänomen?
Unbestritten ist, wie der Temperatursturz zustande kommt. Weil ab Anfang Mai die Temperaturen am europäischen Festland meistens bereits recht hoch sind, erwärmt sich der Kontinent sehr schnell. Das Meer allerdings erwärmt sich langsamer als die Landmassen. Durch diesen Temperaturunterschied entstehen Tiefdruckgebiete, durch die eiskalte Luftströmungen aus den Polargebieten auf das Festland gedrückt werden. In klaren Nächten kann es dann auch zu Nachtfrost kommen.
„Eiserne Nächte“ im Juni
Kalte Polarluft sorgt dann im Juni für einen nochmaligen Kälteeinbruch: die Schafskälte. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 Prozent ist damit zu rechnen, dass dieses Wetterphänomen eintritt. Während der Volksmund die Schafskälte auf den 11. Juni datiert, erwarten Meteorologen die in der Regel zwei Wochen andauernde Kaltfront zwischen 4. und 20. Juni. Ihren Namen verdankt die Schafskälte dem Umstand, dass früher im Juni traditionell die Schafe geschoren wurden. Der Kälteeinbruch war also unter Umständen lebensbedrohlich für die Betzen – besonders für Muttertiere und Lämmer. Wie die Eisheiligen, so fällt auch die Schafskälte regional recht unterschiedlich aus. Während tiefer gelegene Gebiete meist wenig betroffen sind, macht sich ihr Kälteeinbruch in den Alpenregionen und Hochlagen in der Regel deutlich bemerkbar: Hier ist sogar mit Neuschnee zu rechnen.
Laut Prognosen sieht es 2020 nicht nach einem dramatischen Temperaturabfall aus, für das Wochenende rund um den 11. Juni sind hohe Temperaturen angesagt. Die Schafskälte dürfte als heuer eher verhalten ausfallen. Allerdings sind Vorhersagen über 14 Tage hinaus ja auch immer mit Vorsicht zu genießen – also darf man die Möglichkeit eines erneuten Kälteeinbruches trotzdem im Hinterkopf behalten. Sollte es anders kommen, sieht auch Birgit Kretschmann den Tagen im Juni eher gelassen entgegen: „Die Schafskälte ist meist nicht so kalt wie die Eisheiligen, da sie keine Minusgrade bringt, und dadurch muss auf die Schafskälte nicht besonders Rücksicht genommen werden bei Planung und Anbau. Meist ist es eher eine »kurze« Pause für Gärtner und Pflanze, da nicht alles so schnell wächst.“ Wetterprognosen nimmt sie immer ernst und behält diese im Hinterkopf: „Lieber vorsorgen als zu spät reagieren“, lautet ihre Devise. Für dieses Jahr dürfte dann also auch die Schafskälte keine Probleme bereiten.