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Wichtige Fragen zu Wendelsteins Umweltthemen

Wendelstein - Der Bund Naturschutz (BN) Ortsgruppe Wendelstein und die „Initiative Bürger gestalten Wendelstein“ (IBgW) luden zum Parteiengespräch ein.

  • Podiumsdiskussion vom Bund Naturschutz Ortsgruppe Wendelstein

    Podiumsdiskussion vom Bund Naturschutz Ortsgruppe Wendelstein
    © Anja Albrecht

  • Stellen sich den Fragen von Stefan Pieger (BN):: Martin Mändl Bündnis 90/Die Grünen, Maximilian Lindner, SPD, Alexander Hahn, FDP

    Stellen sich den Fragen von Stefan Pieger (BN):: Martin Mändl Bündnis 90/Die Grünen, Maximilian Lindner, SPD, Alexander Hahn, FDP
    © Anja Albrecht

Am 16.05. luden die IBgW und die Ortsgruppe Wendelstein die ortsansässigen Parteien zu einer Podiumsdiskussion ein, innerhalb der die Kommunalpolitiker:innen Stellung zu den wichtigen Umweltthemen in und um Wendelstein nehmen sollten.

Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP schickten engagierte Vertreter. Leider glänzte die Regierungsspitze aus dem Wendelsteiner Rathaus mit CSU und Freien Wählern durch Abwesenheit, sehr zum Bedauern des rund 25-köpfigen, interessierten Publikums.

Trassenführung der Juraleitung, Flächenversiegelung, Baugebot für leerstehende Gewerbeflächen, Einberufung eines Umweltbeirats, Trinkwasserbedrohung,  Baumschutzverordnung und Ausgleichsflächen,

das waren die Kernthemen, die an diesem Dienstagabend im Konferenzraum vom Hotel & Restaurant Küblerhof in Röthenbach auf den Tisch kamen. Die Parteienvertreter gaben Auskunft zum aktuellen Stand der Dinge, zu bereits laufenden Maßnahmen, leisteten zu einigen Fragen Aufklärungsarbeit und äußerten sich konkret zur Haltung ihrer Partei zu den damit einhergehenden Forderungen des „Bund Naturschutz“.

Trassenführung der Juraleitung durch TENNET

Auch wenn der Bau des ICE Werkes kürzlich erfolgreich abgewendet werden konnte, steht dem Bannwald der nächste Eingriff bevor. Der Ausbau der Juraleitungs-Trasse im Rahmen des Bundesnetzplanes wird unausweichlich realisiert werden. Trotz der Vorgaben, einer „autobahnnahen Trassenführung“, sind teilweise – in erster Linie aus Angabe von Kostengründen – weiträumige Abweichungen der Streckenführung quer durch den Nürnberger Reichswald vorgesehen, eine riesige Baustelle mitten im Bannwaldgebiet. Ein unnötiger Waldverlust und eine Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsverordnungen zu Wohngebieten droht. Dem möchte der Bund Naturschutz Einhalt gebieten.

Die FDP stellt die Betrachtung der Baukosten in den Vordergrund und zeigt Tendenz zur Kostenminimierung. Dagegen fordert die SPD klar, dass Masten ins Autobahnkreuz gestellt werden sollen, trotz höherer Kosten, da Umweltschutz Vorrang genießt. Der Grünen-Vertreter schließt sich an und erinnert daran, dass der Wert eines Baumes eine Gewichtung gegen die alleinige Ermittlung der Baukostenseite darstellen muss.

Die Flächenversiegelung schreitet mit erschreckenden Schritten voran

Der Bau von Veranstaltungshallen, Gewerbeflächen oder neuen Wohngebieten wächst und so schreitet die Flächenversiegelung voran. Naturgebiete, Wiesen, Grün- und Ackerflächen müssen weichen und damit auch unsere Grundlage für Anpflanzungen, Anbau und Landwirtschaft. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche alleine in Wendelstein hat zwischen 2014 und 2021 – nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik – um 26,18 ha zugenommen. Der durchschnittliche Jahresverbrauch ist also mit 3,74 ha 2,5-mal so hoch, wie er gemäß den selbst gesteckten Zielen der Staatsregierung eigentlich sein sollte. Gerade Waldhallenprojekte und Skaterpark stehen hier im Brennpunkt der Diskussionen. 

Stefan Pieger vom Bund Naturschutz fragt nach, wie die Regierungsverantwortlichen die in Bayern gesteckten Ziele erreichen wollen, ob Streichungen von noch nicht realisierten Bauprojekten denkbar sind, um die Flächenbilanz von 2019 aufrechtzuerhalten.

Martin Mändl, Vertreter der Grünen fordert verbindliche Regeln für den Flächenverbrauch und klare Aussagen über geplante Kompensationslösungen. Sein SPD-Kollege Maximilian Lindner ist gleicher Meinung und macht deutlich, dass es um den immensen Flächenverbrauch von rund 37,5 Fußballfeldern geht, die über die Vorgaben hinaus verbraucht werden. Alleine 0,8 ha davon in Sorg plus die beiden Waldhallen mit 2,5 ha. Auch der FDP-Vertreter Alexander Hahn stimmt seinen Politikkollegen zu, fordert aber, dass mögliche Streichungen in der Planung keine negativen Auswirkungen auf die Gemeindeentwicklung haben dürfen.

Was ist mit dem Leerstand von 12.500 m² im Wendelsteiner Gewerbegebiet?

Der Bund Naturschutz und die IBgW prangern Geldanlage und Spekulationsabsichten an und fordern ein nachträgliches Baugebot auf leerstehende Gewerbeflächen. 

Diese Forderungen unterstützen die drei Parteivertreter nicht. SPD-Mann Lindner erkennt keine primäre Spekulationsabsicht, sondern bittet um Verständnis für wirtschaftliche Entscheidungen und unternehmerischen Weitblick. Firmen wollen sich benachbarte Flächen sichern, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben und expandieren zu können. Jurist Martin Mändl erinnert auch an die Problematik, dass die Gemeinde bei solch einem Baugebot das Grundstück zum Marktwert zurücknehmen müsste, falls die Nutzung nicht in Anspruch genommen wird. Damit kämen unkalkulierbare finanzielle Risiken auf die Gemeinde zu. Außerdem befürchtet er eine Abwanderungstendenz ortsansässiger Betriebe, wenn sie am Standort ihre Ziele nicht mehr erreichen können. Und auch FDP „Youngster“ Alexander Hahn hält expansionswillige Unternehmer eher für „schlau“ und schließt sich in der Argumentation seinen Vorrednern an.

Grundwasserverseuchung durch die Hausmülldeponie am Fischleinsberg?

Mit Nachdruck beginnt Stefan Pieger das nächste Thema. Schon seit 2014 machte die Ortsgruppe die Gemeinde, das Landratsamt und auch das Wasserwirtschaftsamt auf die drohende Grundwasserverschmutzung durch die Hausmülldeponie aufmerksam. Trotz eines endlich im Jahre 2022 anberaumten Treffens und der Vereinbarung, eine Grundwassermessstelle einzurichten, nach deren Ergebnissen eine Sanierung erfolgen sollte, ist bislang nichts geschehen. Das Publikum lauschte sehr aufmerksam, die Gefahr, dass das Trinkwasser der Haushalte darunter leiden könnte, ist offenbar nicht jedem bewusst.

FDP, SPD und Grüne sind sich im Grunde einige. Verantwortlich sind die Kommunen und Behörden vor Ort. Alle drei fordern deutlich mehr Transparenz von der Rathausspitze und sind sich der Notwendigkeit bewusst, von allen Seiten mehr Druck aufbauen zu müssen. SPD Vertreter Lindner berichtet, dass seine Partei regelmäßig den Stand abfragt. Ihm ist bereits bekannt, dass ein Beschluss zur Bohrung gefasst wurde, damit das Grundwasser untersucht werden kann. Die Bohrung wird aktuell vorbereitet. Die daran anschließende Sanierung wird an die Ergebnisse der Bohrung geknüpft. Grünen-Vertreter Mändl erzählt, dass seine Partei vor Ort war und mit Helfern Müll gesammelt hat, um aufzuzeigen, was am Fischleinsberg so alles liegt.

Die nächste Frage zielt auf die Einberufung eines Umweltbeirates ab.

Vorbild ist dem Bund Naturschutz die Nachbargemeinde Feucht. Hier sorgt bereits seit vielen Jahren ein Umweltbeirat für lebendige Bürgerbeteiligung und mehr Transparenz. Stefan Pieger stellt den Diskussionsteilnehmern in der Runde die Frage, ob die Einberufung eines Umweltbeirates – auch im Hinblick auf die allgemeine Politikverdrossenheit – unterstützt wird.

Grünen-Politiker Mändl hakt gleich ein. Die Grünen haben diesen Antrag bereits vor einiger Zeit gestellt, sind aber an der Mehrheit gescheitert. Momentan gibt es nur eine Mitarbeiterin in diesem Ressort: Umweltbeauftragte Elvira Kühnlein. Aber trotz aller Bemühungen der engagierten Dame, fehlt die Vielfalt an Sachverstand der Bürger in der Diskussion. Dies könne nicht über eine einzige Person abgebildet werden. Maximilian Lindner bemerkt, dass es mit der Umweltbeauftragten zumindest die Möglichkeit gäbe, einen Umweltbeirat einzuberufen. Und auch FDP Vertreter Hahn stimmt in den Wunsch mit ein, ein vielfältiges Meinungsbild aus einer bunten Besetzung von verständigen Bürgern zu schaffen.

Dass ein Umweltbeirat aber ein vielversprechendes Instrumentarium für eine schwindende Politikverdrossenheit sei, bezweifelt Maximilian Lindner unter einvernehmlichen Nicken seiner Kollegen.

Das vorletzte Thema erhitzt die Gemüter

es geht um eine Baumschutzverordnung. Anders als bei den voran gegangenen Themen gehen hier die Meinungen auseinander. Der Bund Naturschutz fordert den Erlass einer Baumschutzverordnung und besänftigt, dass hierbei nicht an einen seitenlangen, komplizierten Erlass gedacht ist. Die Grünen sprechen sich eindeutig für eine Baumschutzverordnung aus. Für SPD-Mann Lindner ist wichtig, dass mit einer Baumschutzverordnung eine Ausgleichsforderung geltend gemacht werden kann. Die FDP dagegen möchte keine Verordnung, sondern lieber eine finanzielle Unterstützung zur Pflanzung vom Bäumen. Die Bürger sollen selbst entscheiden, was sie pflanzen oder nicht pflanzen wollen, wendet Alexander Hahn ein.

Dass die Baumschutzvorordnung ein zentrales Thema des Abends ist, zeigt sich in der anschließenden Diskussionen mit dem Publikum. Hier machen Einzelfälle die Runde und das Auditorium wird munter. Mit einer Baumschutzverordnung könnten wertvoller Baumbestand erhalten werden, der auf Grundstücksgrenzen steht und eigentlich entfernt werden müsste. Andererseits kursiert die Angst, dass bei Androhung einer Baumschutz-Verordnung eventuell noch einige unliebsame Bäume heimlich, unnötig und vorbeugend gefällt werden könnten. Andere sind sich sicher: Der Großteil der Wendelsteiner Bürger handelt von Haus aus vernünftig und pflanzt automatisch nach, wenn ein Baum entfernt werden muss, schon alleine, um die Schönheit des eigenen Gartens, zumindest bei den älteren Grundstücken zu erhalten.

Letzte Frage des Abends ist ein Meinungsbild zum Thema „Umsetzung und Kontrolle von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.“

Denn obwohl im Rahmen der Bauleitplanung eine Notwendigkeit der Schaffung von Ausgleichs- und Ersatzflächen besteht, scheitert die Umsetzung häufig an den fehlenden Kontrollen, Eintragungen ins Ökoflächenkataster und mangelnde Bewertung der Ausgleichsmaßnahmen. Es werden Lebensräume von Tierarten vernichtet, die Ausgleichsalternativen müssen aber durchgesetzt und dauerhaft gepflegt werden.

Für die FDP ist hier Dokumentation, Überwachung und nötigenfalls Bestrafung die Lösung. Die Grünen beanstanden, dass es so gut wie keine Kontrollen gibt. Für Martin Mändl gibt es hier keine Diskussion: „Wir müssen perspektivisch mit weniger Flächennutzung auskommen. Die nötigen Ausgleichsflächen sind zwingend durchzusetzen und einzufordern.“ SPD Kollege Lindner kritisiert das Defizit in der Bearbeitung der Einträge ins Ökoflächenkataster. Er fordert eine höhere Transparenz und betont, dass Kontrolle und Pflege der Ausgleichsflächen enorm wichtig sind.

Man möchte nicht „für dumm verkauft“ werden.

Nach der ausführlichen Beantwortung der Fragen darf das Publikum mit in die Diskussion einsteigen. Viele der Fragen werden noch einmal aufgegriffen und mit Beispielen untermauert. Den Sprechenden ist anzumerken, dass sie vieles in ihrem direkten Umfeld sehr bewegt. Sei es der mangelhafte Lärmschutzwall, Schock über die mögliche, negative Auswirkungen der Hausmülldeponie auf das Trinkwasser, das zögerliche Handeln der Behörden, Schandflecken im Gewerbegebiet, zu wenig Information über die Tennet Trasse, das Ausbleiben einer versprochenen Infoveranstaltung zur Muna. Und immer wieder kommen die Parteienvertreter und Bürger auf das Thema „fehlende Transparenz“ zurück. Man bedauert, dass bei solch wichtigen Themen Vertreter der Rathausspitze fern bleiben. Allzu gerne hätte man von dort klare Aussagen gehört und die Entscheider mit ins Gespräch eingebunden. Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger geben zu verstehen, dass man bei wichtigen Themen „im Dunkeln tappen würde“. 

Auch die Vertreter von SPD und Grünen bestätigen das Fehlen des nötigen Kommunikationsflusses. Mangelnde Transparenz könne leider nur durch persönliche Initiative einzelner ausgeglichen werden. Am Ende ist man sich einig: Nur durch den Aufbau von Druck, der von Bürgerseite kommt und dem kontinuierlichen Nachfragen wird sich etwas bewegen. Ein probates Mittel sind engagierte, interessierte Bürger:innen, die sich mit den Themen auseinandersetzen, Informationen kritisch hinterfragen und durch Bürgeranträge und Unterschriftenlisten Bewegung in den Rat hinein bringen.

Von: Anja Albrecht (meier Redaktion), Freitag, 19. Mai 2023 - Aktualisiert am Montag, 14. August 2023
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